Gut, wenn man auf einem Boot lebt: Seit drei Tagen versinkt Fort Myers Beach in Regen und Sturmböen

An die Kette gelegt

Gut, wenn man auf einem Boot lebt: Seit drei Tagen versinkt Fort Myers Beach in Regen und Sturmböen
Gut, wenn man auf einem Boot lebt: Seit drei Tagen versinkt Fort Myers Beach in Regen und Sturmböen

Eine Tageskarte für den LeeTran-Bus kostet 3,50 Dollar und reicht für einen Tagesausflug zum Southwest Florida Airport. Zwei Stunden lang sitze ich in einem unterkühlten Bus und fahre vorbei an immer gleich aussehenden Commercial Areas, Shopping Malls, privaten Wohnanlagen mit Pförtnern und Wohnwagensiedlungen. Viel mehr, so scheint es, hat Florida in dem besiedelten Streifen zwischen Golfküsten-Strand und Everglades-Sümpfen nicht zu bieten. Busfahren als Sightseeing geht anders. Aber ich muss zum Airport, bevor ich nach Kuba kann, muss ich mein Cruising Permit am Flughafen beim Zoll abgeben und Dokumente für die Ausreise abholen.

Montag wollte ich das erledigen und der Tag begann, wie ein Montag eben so beginnt: sprichwörtlich um Mitternacht. Zu der Zeit etwa schoben die ersten Böen über dem Mooringfeld Paulinchen auf die Seite und mich beinahe aus der Koje. Regentropfen knattern an Deck und prasseln durch das offene Vorluk auf meine Beine. Der eben noch angenehme Luftzug unter Deck erreicht in Sekundenschnelle gefühlte Orkanstärke.

So ein „Surprise-Storm“ war es, der mich auf dem Weg nach Key West vor einer Weile hier nach Fort Myers hatte abbiegen lassen. Eine gewitterlose Schauerfront ist in tropischen Gewässern leider keine Seltenheit, und bei Nacht auf See ohne Radar so gut wie nicht zu entdecken, bevor sie loslegen. Darum binden viele Crews beim Nachstelgeln auch bei besten Segelwinden vorsichthalber ein Reff ein und nehmen in Kauf etwas langsamer unterwegs zu sein.

Selten dauert so ein Sturm länger als eine oder zwei Stunden. Dieser ist anders. Er bleibt, schwächt ab, legt zu, bildet irgendwann doch Gewitter aus und bläst mal mit 30 Knoten aus Westen und eine halbe Stunde später ebenso stark aus Osten. Dazu regnet es ununterbrochen wie aus einem verirrten Monsun. – Der Auftakt zu einer „Tropical Wave“, die bereits seit einigen Tagen langsam von Südosten heran zog. In ihrem Rücken wollte ich den vorhergesagten Ostwind für die Reise nach Kuba nutzen.

Gegen 7 Uhr klingelt mein Mobiltelefon:

„Bist du wach?“, fragt Larry und entschuldig sich für die Uhrzeit.
„Natürlich, bei dem Wetter kann je eh niemand schlafen“
„Gut, kannst Du herüberkommen und mir helfen, mein Dingi zu heben? Das ist voll Wasser geschlagen und gesunken.“

Während Larry zwei Stunden später beginnt den Motor des geretteten Beibootes zu zerlegen und Teil für Teil in ein Bad aus WD-40 zu tauchen, mache ich mich müde zum Flughafen auf. In den letzten Tagen habe ich das Boot weitgehend proviantiert und Stunden mit Schnorchel, Maske, Schrubber und Spachtel unterm Rumpf Seepocken und Algen entfernt. Noch einmal Frisches für die Überfahrt einkaufen, das Dingi an deck stauen und darauf warten, dass der Regen nachlässt und ich für zwei Wochen nach nach Kuba muss.

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Customs Officer Blending und ihr Kollege hören sich meine Geschichte am Flughafen noch einmal detailliert an, fragen nach meiner bisherigen Reise, sind von dem Foto auf meiner Boatcard angetan und wollen natürlich auch wissen, warum ich ausgerechnet nach Kuba und wieder zurück will. – Meine Antwort war vielleicht entwaffnend.

„Ich will eigentlich jetzt gerade gar nicht. Aber Kuba ist am dichtesten, und mein Permit kann ja offenbar nicht verlängert werden. Also muss ich irgendwo außerhalb der USA 14 Tage warten und dann wiederkommen. Kuba ist bei vorherrschendem Südostpassat in etwas über zwei Tagen zu erreichen und genauso lange dauert die Rückreise. Nach Mexiko bräuchte ich bereits etwa fünf Tage hin und etwa acht gegen den Wind kreuzend zurück. Bei einer Vorwarnzeit für tropische Stürme von etwa drei Tagen im Moment, ist Kuba am schnellsten und sichersten.“

Unter anderen Orten würde man sagen: "An die Kette gelegt" Cruising Permit und Original Bootspapiere bleiben beim Zoll, bis ich im Herbst ausreise.
Unter anderen Umständen würde man sagen: „An die Kette gelegt“ – Cruising Permit und die originalen Bootspapiere müssen beim Zoll bleiben, bis ich im Herbst ausreise

Blicke wurden ausgetauscht und was dann kam war Warten und am Ende des Wartens ging dann doch, was bis dahin unmöglich war: Mein „Cruising Permit“ wird eingezogen und in eine Art „Docking Permit“ verwandelt. Ich darf nun im Zuständigkeitsbereich des Zolls von Fort Myers solange bleiben, bis die Hurricane Saison zu Ende ist und dann das Land verlassen.

Now I am a happy Camper…!

Nur die Tropical Wave von Montag ist drei Tage später noch immer da und sorgt im Stundentakt für monsunartigen Regen. Zumindest laut ist es laut Wetterdienst nicht mehr gänzlich ausgeschlossen, dass sie sich in den nächsten Tagen doch noch zu einem echten Tropensturm entwickelt.

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Überflutungen und Regen haben wir hier bereits seit drei Tagen.
Überflutungen und Regen haben wir hier bereits seit drei Tagen. (Grafik: NOAA/NHC)

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Kommentare

2 Antworten zu „An die Kette gelegt“

  1. Avatar von Birgit
    Birgit

    Moin Hinnerk, du bist ja immer noch unterwegs. Alles Gute und kein Mast- und Schotbruch. 🙂
    Wir segelten mal zusammen ab Sonderburg, glaube ich. Erinnerst du dich?
    Es grüsst Birgit

    1. Avatar von hinnerk

      Klar… das ist schon etwas her, wenn ich jetzt recht sortiere, so 2001/2002? Und ich glaub es ging ab Flensburg oder? Dänische Südsee war ich schon eine Weile nicht mehr 🙂

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