An Schlaf war kaum zu denken. Entlang der offiziellen Dampferrouten im Kattegatt reihten sich, wie an einer weihnachtlichen Lichterkette, die Positionslaternen der Frachtschiffe auf, zwischen ihnen zogen weiß-grüne Topplichter ihre Schleppnetze durch die aufgewühlte Ostsee. Letztere haben Vorfahrt, die anderen entscheidend mehr Masse. Kommt Ruhe auf, unterbricht die Küstenfunkstelle Lynby Radio mit der immer wiederkehrenden “Gale Warning for Kattegatt”. Starkwind, Flaute, Starkwind – ein Tief jagt das nächste. Bei abnehmenden sechs Windstärken aus Nordwest habe ich Karlskrona am Abend verlassen, ab dem dem darauffolgenden Morgen regte sich kein Lüftchen mehr und jetzt drücken schon wieder fünf oder sechs Beaufort aus Südosten ins gereffte Groß. Mir beschert das ein schnelles Vorankommen. Mit 9,5 Knoten im Surf zischt Paulinchen in der Spitze über zwei Meter hohe Wellen an Anholt vorbei.
Mit den Wellen kam aber auch die Sorge. Die Einfahrt in den Limfjord ist schmal und reicht knapp eine Meile als ausgebaggerte Rinne in das Kattegat hinein. Dreißig Meter breit, drei Meter tief. Neben ihr lauert harter Sand, nur halb so tief wie Paulinchens Kiel. Im Klartext: In den Limfjord geht es mit sieben Knoten auf dem Log zwischen Surfern durch die Brandung hindurch. Einmal vor einer Welle querschlagen und die Reise wäre zu Ende. Eine Weile überlegte ich, die Insel Læsø anzulaufen. Der Inselhafen liegt auf der Leeseite, ist gut geschützt und vermutlich am Freitagabend voll trinklustiger Schweden. Zusammen mit Skagen ist die Insel Læsø nach wie vor Göteborgs Seglerkneipe. So wie Finnen nach Schweden reisen, um sich zu betrinke,n und Dänen nach Kiel, segeln Schweden eben nach Dänemark. “Billig” ist immer da, wo es etwas weniger kostet als zuhause.
Meine Partylaune war nach zwei Nächten auf See gedämpft. Also blieb es bei Kurs “Svitringen Rende”, dem Fahrwasser in den Fjord. Die Waschküche hielt sich glücklicherweise in Grenzen. Nicht zuletzt, weil das schmale Heck zwar zwei der Brecher ins Cockpit steigen ließ, aber andererseits auch nur minimal von den unterlaufenden Seen versetzt wurde.
Der Schleichweg in die Nordsee ist erst seit rund 150 Jahren ein Sund. Damals grub sich die Nordsee in einem schweren Sturm mühsam durch die Dünen bei Thyborøn und öffnete damit einen westlichen Zufluss in den großen Limfjord. Heute wird die Route von kleine Frachtschiffen auf dem Weg in die Häfen von Aalborg, Nykøbing, Thisted oder Skive benutzt. Für größere Pötte reichen die Wassertiefen an vielen Stellen nicht aus. Im Spätsommer sind es vor allem Segler aus den Niederlanden, England und anderen Nordseestaaten, die nach einem langen Sommer in den schwedischen Schären hier hindurch ihren Heimweg nehmen. So, wie ich es auch vorhabe, um anschließend in die Elbe nach nach Hamburg weiter zu reisen.
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