… gehe nicht über Los

Segelboot Paulinchen im Hamburger Hafen eingeschneit
Noch immer liegt Paulinchen unter einer dicken weißen Schicht

Die Erinnerungen an den vergangenen Sommer sickern langsam in den tiefen Schnee ein. Zentimeter für Zentimeter liegt das Weiß klebrig, nass und kalt über dem Badehosenwetter schwedischer Schären, fast unangenehmer Hitze auf Ruhnu, sonnenverwöhnten Schilfstreifen einsamer Ankerbuchten und ausgedehnten Stunden im Cockpit. In diesen Monaten findet das Leben unter Deck statt und trotz der romantischen Bilder vorm Fenster, legt der Schnee sich auch langsam über die Motivation. Sich aufraffen und etwas zu unternehmen wird umso wichtiger, wenn es draußen ungemütlich ist. Die Bedeutung des täglichen Spaziergangs im Hafen verschiebt sich von Luxus über angenehme Abwechslung hin zu Notwendig. Der Körper braucht die Bewegung, die Seele das Licht, die Heizung den auf dem Rückweg mitgebrachten Diesel. Doch während die Füße durch den Schnee Hamburgs stapfen, pflügen die Gedanken längst durch die Wellen des Atlantik in Richtung USA.

Heiße Schokolade mit Milchschaum an Bord von Paulinchen
Heiße Schokolade mit Milchschaum

Denen bin ich mittlerweile ein kleines Stück näher gekommen. Aber, um es mit der Stimme des Spielers zu sagen, “nicht über Los”, sondern per “Zurück zum Start”: Die Idee, statt zweifelhafter Dokumente zur Einreise in die USA die Vereinbarung mit der Redaktion vorzulegen, war gut. “Das langt auf jeden Fall”, bestätigte mir die freundliche Telefonstimme vom Visa-Information-Service. “Allerdings brauchen Sie für Ihr Vorhaben dann kein Touristenvisum, sondern ein sogenanntes I-Visa für Journalisten.” Mir schwante Kompliziertes, und umso überraschter war ich, dass die Liste der erforderlichen Dokumente lediglich um den Presseausweis erweitert wurde. Am 1. Februar, um 8.30 Uhr darf ich damit in der US Botschaft in Berlin erscheinen, und um die Erlaubnis für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bitten. Hauptsache die Bahn hat sich bis dahin an das Wetter gewöhnt und ist im Gegensatz zu den letzten Wochen halbwegs pünktlich.

Das härteste “Zurück zum Startfeld” gab es allerdings zum Jahresbeginn für die Energieversorgung während des Atlantiktörns. “Ende des Jahres”, so erfahre ich auf Nachfrage, wie es um den Prototyp für die Windsteuerungsanlage steht, die ich auf 2.500 Meilen Atlantik testen wollte. Auf das Konzept in Anlehnung an den Flettner-Rotor war ich sehr gespannt. Dafür die ganze Reise ein Jahr zu verschieben, scheint mir allerdings etwas übertrieben. Zum Glück kam die Absage zumindest noch rechtzeitig vor der Boot in Düsseldorf. So kann ich die Messe noch nutzen, um mich für eine Alternative zu entscheiden. Bis dahin bleiben nur das Grundvertrauen zu bewahren und heiße Schokolade für die Seele.


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