Kurzer Frühling

Hinnerk Weiler, Hamburger Landungsbrücken
Frühling an den Landungsbrücken, doch der Schein trügt. Auch im März bleibt es kalt

Kurs Mitte März – nach Plan A bin ich jetzt… ach lassen wir das, ich bin ja in guter Gesellschaft, wenn ich mich nicht so recht um mein Geschwätz von gestern kümmere. Also zu Plan B, das war die Idee mit Weihnachten auf Helgoland – seit vier Monaten ebenfalls nicht mehr einzuhalten. Plan C, noch meinen Geburtstag in Hamburg zu verbringen und dann aber zackig Richtung England auszulaufen. – Der Termin zog vor einem Monat mit dem Umblättern des Kalenders vorbei. Damit sind wir offenbar bei Plan D angelangt. – Und tatsächlich halte ich daran fest in der Woche ab dem 15.März endlich meinen Platz im City Sporthafen zu räumen. Aber die Zeit bis dahin wird langsam knapp, es gibt noch viel zu tun. Für mich und auch für die Sonne.

Den ersten Anflug von Frühling senkte sich letzte Woche über Paulinchen. Highlight: Frühstücken unter der Kuchenbude, also draußen. Natürlich bei offenem Niedergangsschott und voll aufgedrehter Heizung. Oben auf der Promenade war der Frühling längst angekommen. Fotoapparate klackten, Stimmen murmelten, statt plumper Winterstiefel hörte man wieder das Klappern hochhackiger Damenschuhe und die Barkassen haben auch längst wieder ihr schaukelndes Geschäft aufgenommen. “Haaaaafenruuuundfaaaaahrt” dröhnt es im Fünfminutentakt von oben herab und spült jedesmal ein oder zwei neue Touristen auf die Brücke zum Steg.

Ausleger für die Windsteuerung
Niro Ausleger verlängert die Pinne nach achtern. damit das funktioniert, müssen die Steuerseile der Windsteuerung einmal zusätzlich umgelenkt werden

Ich stehe an Deck, freue mich über stahlblauen Himmel und bin geschäftig: Meinen Pinnenausleger hatte ich etwa anderthalb Wochen nach dem Ablegen in Arnis letztes Jahr demontiert. Von der hohen Kante aus freien Blick nach vorn zu haben mag für Regattasegler lebensnotwendig sein und das fehlen dieses Utensils wurde angesichts der sonst eher sportlichen Linien von Paulinchen auch hier und da schon kritisch beäugt. Fakt ist aber, dass ich auf meiner gesamten Ostseetour nicht einmal diesen unbequemen Sitzplatz eingenommen habe. Mit den beiden Bügeln an der Pinne habe ich das Ruder ohnehin überall fest im Griff.

Ausleger für die beau-fort Windsteuerung
Ausleger für die beau-fort Windsteuerung

Trotzdem habe ich nun wieder einen Ausleger – aber einen nach achtern. Über der Backskiste nimmt ab sofort eine solide Niroklampe an einem nicht weniger soliden Ausleger die Steuerseile der beau-fort auf. Die Vorteile fürs Segeln: Die Pinne kann bei Windfahnensteuerung einfach hochgeklappt werden und stört nicht im Cockpit und es entfällt das Klettern über die Leinen. Nachteil: Ich komme nicht mehr an die hintere Backskiste, solange die Windsteuerung das Ruder führt. – Das Leben besteht eben aus Kompromissen: Ein bisschen mehr Sicherheit, ein Batzen mehr Platz und Bequemlichkeit im Cockpit, eine unerreichbare Klappe mit allerlei Gedöns drin, das ich sowieso nicht brauche. Fertig.

Mit Ausnahme des Spi-Falls ist mittlerweile alles worin man einen Knoten machen kann ausgetauscht. Vom Festmacher bis zur Reserve-Flaggenleine am Achterstag. Von der Schot der S-Fock bis zu den Verstelleinen der Holepunktschlitten. Bei den Arbeiten an Deck wird mir schlagartig klar, welch einen Luxus ich hier überhaupt habe. Mit dem “quack quack” der Enten im Hintergrund hier an Deck stehen zu können, frische kühle Luft, gleißendes Licht. Es gab harte Tage in diesem Winter, wenn es dunkel wurde und dicke Wolken nur spärliches Licht in die Kajüte dringen ließen. Es gab verfluchte Augenblicke, in denen ich durch Schneetreiben in dunklen Nächten zur Tankstelle musste, um Diesel für die Heizung zu holen. Und es gab bange Tage, als 20cm Eis das Boot fest umschlossen und kein Millimeter Bewegung mehr möglich war. Trotzdem: Jetzt möchte ich keine dieser Erfahrungen missen. Keine Minute dieses viel zu langen Winters war vergeudete Zeit.

Das Glücksgefühl hält den ganzen Tag an, bis mir der Weg unter Deck dank zu kurzer Jacke und dem kaltem Wind schlagartig klar macht: “Ich habe Rücken” Zwei Tage jammere ich vor mich hin, mit einem Schal um die Hüfte. Dann geht es wieder schmerzfrei den Niedergang hinauf.

Schnee auf den Stegen im City Sporthafen
Hamburger Hafen Anfang März

Was sonst noch ansteht: Unterwasserschiff von zahlreichen Riefen befreien. Das bedeutet Streichen und das bedeutet mindestens fünf Grad plus. Stattdessen aber steigt der Luftdruck, eine Front bringt 10 Zentimeter Neuschnee das Quecksilber am Hafenmeisterhäuschen sinkt wieder unter Null Grad. Es fehlen noch Eisschollen im Hafen, dann ist wieder alles beim Alten – aber die kommen sicher noch. Scheint so, als hätten wir gute Chancen auf weiße Weihnacht

Trendprognose für Deutschland, von Freitag, 12.03.10, bis Sonntag, 14.03.10

Bei sich nur langsam abschwächendem Nachtfrost und tagsüber
zögernd ansteigenden Temperaturen auf 5 bis 10 Grad gibt es
wieder einen Trend zu unbeständigem Wetter und auffrischendem
Wind aus südlichen bis westlichen Richtungen. (Quelle: DWD 10-Tage-Vorhersage, Donnerstag, 04.03.10 14:02 Uhr)


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