Horta

Leicht war es nicht, die Insel Faial und damit den Hafen von Horta, die Azoren und nicht zuletzt Europa zu verlassen. Paulinchen wirkte unmotiviert, lag reglos am Fingersteg und machte nur müde Bewegungen, wenn sich jemand an Bord bewegte. Doch das kam tagsüber selten vor. 26 Grad unter Deck – 36 Grad unterm improvisierten Bimini und mindestens das Doppelte in der Sonne. Schuld an Windstille und Bruthitze ist ein stabiles Azorenhoch dem letztlich sogar der Kompass zum Opfer fiel: Er ist einfach in der Sonne geplatzt. – Wir bekommen keinen Ersatz und wollen trotzdem auslaufen. Nicht auch noch vier Wochen auf einen neuen Kompass warten…. Mein Reservekompass in der Koje muss reichen, wenn das GPS ausfallen sollte oder wir Strom sparen müssen.
Am Tag vor der Abfahrt kommt noch das obligatorische „Paulinchen“ auf die Kaimauer. Der ganze Hafen ist mit Bootsnamen und teilweise kunstvollen Verzierungen versehen. Ein Seemanns-Aberglaube, der eine sichere Überfahrt und passende Winde versprechen soll. Etwas Aberglaube schadet ja nicht. Beim Anblick meins Kunstwerkes habe ich nach dem Malen allerdings beschlossen, zu meinem nächsten Aufenthalt in Horta einen Absolventen einer Kunsthochschule mitzunehmen.
Den Frust über das misslungene Bild lasse ich bei einem letzten Besuch im Café Sport. Wie auch die letzten Tage draußen stehend und mit denen plaudernd, denen es drinnen nicht so recht gefällt. Die berühmteste Seglerkneipe im Atlantik hat ihren Reiz für mich nach dem ersten Besuch verloren. Vielleicht war die Erwartung zu hoch: „Hier muss richtig die Post abgehen“ – geht sie aber nicht.
Draußen leuchtet das blaue Emblem mit dem weißen Potwal und kaum durch die Tür getreten, atmet man Seglergeschichte und Geschichten. Ein Stimmenwirrwarr, das auf französisch, englisch oder deutsch die Abenteuer der vergangenen zigtausend Seemeilen rezitiert. Die Wellen in diesem Seemannsgarn werden mit jedem Mal etwas höher, der Wind etwas stärker und die Ängste kleiner. Es gibt, soweit traf meine Erwartung noch zu, keinen schöneren Ort diese Erlebnisse anzuhören. Mit Holz an Wänden und Decke, auf schweren Stühlen sitzend und umgeben von tausend Wimpeln, Flaggen und Postkarten. An der Bar kleben Zettel auf denen Skipper nach Crew und gestrandete Tramper nach einem Schiff suchen. Horta ist auf dem Weg von der Karibik nach Europa der erste Hafen, Wege trennen sich und andere führen zusammen. Wer hier ankommt, kommt aus St. Martin, den USA, Bermuda∑ James, der Kanadier, der in Hong Kong lebt und hin und wieder Bootsüberführungen macht ist begeistert: „I thought we where the only stupid ones who go west now!“, stellt er fest. Jetzt sind wir schon zwei Crews gegen den Strom – auch, wenn sich unsere 31 Fuß neben dem 60 Fuß Zweimaster auf dem er angeheuert hat etwas verloren ausnehmen.
Wir sind froh, einen Grund zum Feiern gefunden zu haben. Denn Feststimmung muss man hier her mitbringen – und am besten auch eine große Crew in genau dieser Stimmung. So wie die Amerikaner von der rund 100 Fuß langen Motoryacht, die drüben am Industriekai liegt. Lachend, singend ziehen sie durch die Stadt auf der Suche nach einem besseren Ort zum Tanzen und kommen doch immer wieder Erfolglos auf ein Bier hier herein. Dann wird es laut, lustig und nach der zweiten Runde schließen wir uns ihnen an. Denn von alleine passiert bei Peter wenig. Die meisten Gäste sitzen andächtig auf ihrem Platz, schauen sich wortlos die Dekoration an und gehen nach einem Bier wieder an Bord zurück. Wer mehr als fünf man zusammen bekommt trinkt und plaudert in eng geschlossener Runde. Hinter einem Tresen sitzt ein gelangweilt grimmig schauender „Peter“ und kassiert wortlos das Geld der Gäste: 2,5o Euro für ein Bier, 2,25 für einen Gin Tonic. Hinter der Bar sorgt eine Scharr Angestellter für Getränke und Essen, kassieren und geben das Geld bei ihrem Chef ab. Der gibt das Wechselgeld heraus und so dauert der Bezahlvorgang länger als manche Bestellung. Und nein, man fühlt sich dabei nicht als Gast. Ein Wirt macht eine Bar aus und diese Bar, so geschmackvoll sie auch eingerichtet ist, besitzt weniger Gastlichkeit als manches Museum. Es sind nur die Leute, die Charaktere und Geschichten, die diesen Ort erhalten, während sich jemand auf seinem Ruf ausruht, scheinbar alle Segler verflucht und das Geld abzählt. Es wird Zeit die Insel zu verlassen.
Das allerdings ist nicht so einfach, denn nach dem Ausklarieren erfahren wir: „Tankstelle funktioniert nicht, Morgen früh kommt der Techniker“ – Eine Nacht mehr schadet nun auch nicht mehr.
Das Auslaufen geht schnell. Elf Uhr gibt der Mann vom Eichamt grünes Licht, wir liegen als dritte im Päckchen direkt vor der Zapfsäule∑ An der Mauer ein dänischer 40Füßer aus Stahl. Daneben eine Albin Vega aus Braunschweig (ja, hier war ich mal nicht der kleinste im Hafen∑) und als letzte gekommen, müssen wir als erste Tanken. Leinen los, Kurs Amerika!


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