Zwischen Pest und Cholera

Die Badehosensaison im Nordatlantik scheint vorbei. Seit zwei Tagen hängt abwechselnd Torstens und mein Ölzeug am Niedergang. – Je nachdem, wer gerade Wache geht und dabei eine Dusche nach der anderen kassiert und wer unter Deck Tee kocht oder schläft.

Wir sind zu weit nördlich und kommen noch immer weiter in den Norden. Deutliches Anzeichen für den Golfstrom: 160 Grad Wendewinkel über Grund und dann auf Südkurs bei rund 5 Knoten Fahrt durchs Wasser nur noch zwei über Grund. Dabei müsste es laut Strömungskarten hier genau anders herum sein.

Würde es sich lohnen wieder herauszufahren, würde ich jetzt so viel Süd machen wie möglich. Aber, und damit haben wir dann auch den Bezug zur Überschrift: Südlich von uns gibt es zwar keinen Strom, aber auch keinen Wind mehr. Drei bis fünf Konten aus wechselnden Richtungen verrät der Wetterbericht unterhalb von 36 Grad. Soweit zur Pest, kommen wir zur Cholera. Das Wetterfax von gestern Abend zeigt vor uns drei Tiefs, die heute das Merkmal „Merge“, also vermischen, tragen und für morgen „Devlp. Storm“, also „Entwickelnder Sturm“. Das spricht eher für Kurs Süd, damit der Sturm hinter uns durch zieht? Naja, das Fax vermeldet aber auch „Possib. Devlp. Tropical Storm“ in der Nähe von New Orleans. Das ist zwar weit weg, aber wenn die Dinger erst mal in Fahrt kommen, sind sie bekanntlich recht schnell. Also lieber nicht zu viel Süd in der Flaute machen.

Nach einer Stunden Grib-File-Betrachten, Faxinterpretation und Atlantikhandbücherstudium sieht es jetzt folgendermaßen aus:

Früher oder später muss ich eh durch den Strom durch. Für den ursprünglichen Plan, noch rund 1.000 Meilen Richtung Bermuda zu segeln ist es schon zu spät in der Saison und auf direktem Kurs voraus (300°) liegt in 900 Meilen Entfernung schon der Hafen Halifax in Nova Scotia, Kanada. Auch hübsch, aber um diese Jahreszeit neblig und ungemütlich und ich habe zwar eine Gastlandflagge, aber keine Kanadischen Dollar. Trotzdem halten wir jetzt darauf zu. Denn unter Land setzt von dort aus zudem ein Nehrstrom Richtung Westen. Wir werden also den Sturm abwarten, uns nach Nordwesten aufmachen und den Golfstrom schon jetzt passieren. Mal schauen wie viel Lust wir dann noch haben die hunderte Meilen a an Rockland und Newport vorbei zu segeln. Oder ob wir schon mal kurz anhalten, einen Burger essen, einklarieren und dann gestärkt zum Big Apple weiter segeln.

Zu erst aber treten wir mal auf die Bremse und lassen den Mist möglichst nördlich von uns vorbeiziehen. Daumen dürfen gedrückt werden!


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