Achzehn Tage ist es her, dass hinter uns in der Abenddämmerung die Lichter der Insel Fajal langsam verschwunden sind. Meine letzte Wache trete ich um zwei Uhr UTC Ortszeit in der Nacht an, schaue verschlafen den Niedergang hinauf: „Schon was zu sehen?“ – Torsten nickt „Entweder Land, oder verdammt viele Schiffe“. Es war abgemacht, dass er oben bleibt, bis wir das Verkehrstrennungsgebiet vor dem Hafen erreichen und mich dann für die letzten dreißig Meilen in den Hafen weckt.
Steuerbord voraus liegt definitiv Land. Tausend Lichter, ein heller Kegel unter einigen Wolken verrät die Großstadt. Meinen Hände wärmt ein Becher Tee, unten im Schiff geht das Licht aus, ich bin allein in der Nacht. „Die andere Seite des Ozeans“, ein magischer Moment, den ich mir immer wieder vorgestellt habe. Das Gefühl, nach dieser langen Reise dort anzukommen hätte unbeschreiblich sein sollen. Aber was ich fühle ist nicht das Erreichen des Phänomenalen. Eher ist es eine nicht weniger unbeschreibliche Leere. Mein Kopf ist voller Reperaturlisten und Ersatzteile. Vor allem aber fehlt mir ein Bild. Von New York hatte ich klare Vorstellungen. Halifax hingegen ist mir bisher nur als Punkt auf der Karte bekannt. Eine Reise ins Ungewisse.
Das Gefühl von Ankommen stellt sich erst ein, als die Sonne aufgeht und die Küste unter den Lichtern Konturen annimmt. „Schweden“ ist mein erster Gedanke zwischen tannenbewaldeten Felsen. Doch etwas ist anders. Details, die verraten: „Du bist auf der anderen Seite“. Bunte Holzhäuser, vor denen Pickup-Trucks parken, kanadische Flaggen und vor allem: Die Tonnen stehen falsch herum.
Das „Handbuch für den Atlantischen Ozean“ warnt davor, Halifax ohne akkurate Detailkarten anzusteuern. Überall lauern angeblich Felsen nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche. Dazu ein fast dauernder Seenebel, der innerhalb von Minuten aufzieht und die Sicht unter fünfzig Meter reduziert. Heute morgen gibt es keinen Nebel, dafür läuft ein Containerschiff ein. Ich warte das Versetzen der Lotsen ab und berge die Segel. Unter Motor mit fünf Knoten einfach hinter der Wand aus Stahl in den Hafen fahren. Wo der durch passt, da dürften wir kaum auf Probleme stoßen.
Einreise Kanada: Für das Münztelefon braucht man 25ct. und wählt dann die kostenfreie Nummer 1-800-CANPASS. Zu den Bootsdaten die abgefragt werden gehört auch eine Registrierungsnummer. Die Zuteilungsnummer der Reg-TP für das Funkgerät reichte auch hier aus. Anschließend werden noch die Passdaten der Crew notiert. Beim Hafenmeister ist eine Kreditkartennummer und die Nummer der Haftpflichtversicherungspolice erforderlich.
In unserem Fall kamen die Beamten nicht an Bord, es genügten die Frequenzzuteilung der Reg-TP mit der Nummer und die Reisepässe. Wichtig: Es dürfen keinerlei Waffen eingeführt werden und auch beim Thema Proviant ist man kleinlich. Milchprodukte, Frisches Obst, Gemüse und Frischfleisch. Auf Kanal 68 soll der Dockmaster des Royal Nova Scotia Yacht Squadron empfangsbereit sein. Zu meiner Überraschung ist das Büro bereits morgens um halb sieben besetzt. Wir sollen dem Nord-West Arm bis zu einem Wellenbrecher folgen. Kaum im Hafen ist wieder seine Stimme im Funk zu hören: „Is that a German Flag?“ – Ich bestätige. „Welcome to Canada!“
Die kanadischen Einreiseformalitäten sind recht einfach. Als Skipper darf nur ich das Boot verlassen und muss uns telefonisch beim Zoll anmelden. Keine Waffen, kein Alkohol, alles geht schnell. Zum Schluss die Bitte: Am Boot auf die Zollbeamten warten, damit sie den Pass abstempeln und das Boot inspizieren können.
Den Beamten erscheint mein Boot etwas klein, meine Geschichte nicht ganz plausibel. Gesunder Argwohn eines Grenzbeamten. Ihr Hauptinteresse liegt in der Frage, ob mein Barvermögen ausreicht, um die Reparaturen zu erledigen und sicherzustellen, dass ich das Land wieder verlassen werde. 500 Euro und 500 US-Doller sind knapp. Aber wir sind in Amerika. Eine Kreditkarte hilft über alle Zweifel hinweg.