Pläne kann man aufschieben, Ideen auf später vertagen. Aber Jahreszeiten sind nicht aufzuhalten. Der Herbst rückt auf dem Hudson mit kalten Nächten und frühem Dunkelwerden vor. Vor einigen Wochen noch war es bereits um neun Uhr vormittags über die dreißig Grad warm. Jetzt schafft die Sonne es im Schatten der Berge des Mid-Hudson-Valley zum Nachmittag gerade mal auf Zimmertemperatur. Aber die wenigen Stunden reichen mir. Ich bin nicht mehr in Eile. Weder innerlich, noch äußerlich. Der Maßstab des Reisens hat sich verändert. Galten auf dem Atlantik noch Etmale von 120 oder 140 Meilen, so sind es auf meinem Weg nach Süden kaum mehr als fünf am Tag.
Bummeln wird zur Herausforderung, wenn am Ende des Flusses noch immer die hohe Dünung entfernter Wirbelstürme wartet. Längst liegt Manhattan in Reichweite einer Tagesreise. Aber mindestens eine Woche will ich noch für den Weg dorthin brauchen. Diese Version des Reisens hat nichts mehr mit dem Überbrücken von Distanzen zu tun.
Noch immer denke ich oft an Schweden. Doch längst zieht die Landschaft nicht mehr an mir vorüber. Das weiße Ankerlicht, das nächtelang in derselben Bucht leuchtet, ist zum Teil des Flusses geworden.
Mit mikroskopisch kleinen Schritten auf der Karte habe ich auch die Chance Land und Leute besser kennenzulernen. Vor allem aber anderen Sinnen als den Augen mehr Raum für Eindrücke zu geben. Wer sich beispielsweise in skandinavische Wildnis begibt, findet dort viel Ruhe. Ich erinnere mich an Tage, an denen das Rauschen des eigenen Atems und ein wenig Rascheln in den Bäumen, laut erschien. Nicht so in New York. Wenn Rebecca, die hier in den Wäldern um den Norrie Point aufgewachsen ist, von der Stille im State Park spricht, meint sie das ununterbrochene Zirpen tausender Grillen. Tag und nach geben sie ihr Konzert und formen das Klangbild der Landschaft.