Vom Sonnenlicht der letzten Tage fehlt zu Beginn der letzten Herbstwoche jede Spur. Sechs Uhr, zehn Uhr, vierzehn Uhr. Der Tag scheint stillzustehen, während sich ein Schleier aus klebrigem Roggenmehl langsam und blassgrau über den Beacon Mountain wälzt. Teewasser kochen und an Steuerbord im Regal stöbern. Ein Tag zum unter Deck bleiben und lesen. Im Bücherregal finde ich eines der letzten ungelesenen deutschen Bücher „Die redselige Insel“ von Hugo Hamilton, der sich 50 Jahre nach Heinrich Böll aufmachte, die Spuren des Nobelpreisträgers auf der Grünen Insel zu verfolgen. – In einer Zeit, in der sich Irland vom Armenhaus Europas zum Wohlstandsparadies entwickelt hatte. Nach einem Aufschwung auf Kredit, wie Hamilton deutlich betont, als würde er bereits ahnen, dass dieser Wohlstand bald im Strohfeuer einer Bankenkrise verpuffen wird.
Irland ist New York näher als man ahnt, und an einem Tag wie diesem müssen sich die Einwanderer zweifelsfrei an ihre Heimat erinnert haben. Regenreiche Tiefdruckgebiete, die ihren Teil zu den Hungersnöten des Inselstaates beitrugen. Aber die Armut machte die Iren zu Reisenden und zumindest zu einem genetischen Geberland beim Aufbau der USA. Und wer hinschaut, findet ohne Mühe auch heute noch die Flaggen in grün, weiß, orange über Türen oder am Bug von Booten wehen.
Nicht ganz so einfach ist es mit der Zuordnung anderer Wurzeln Amerikas. Im Dutchess-County, in dem ich mich seit zwei Wochen befinde, beispielsweise. Denn was auf den ersten Blick niederländischen Ursprung hat, ist manchmal eher auf schlechte Ohren zurückzuführen.
Zum, ersten Mal bin ich darüber in Halifax gestolpert, als ein Hinweisschild an einer kleinen Kirche meine Aufmerksamkeit erregte. „The Dutch Church“, stand darauf in der Überschrift. Der Text darunter hingegen verwies auf die „german community“, die bis heute die kleine Holzkirche für Gottesdienste nutzt.
Hier am Hudson sind es Einheimische, die mir die blau weiß roten Farben der Flaggen mit der niederländischen Vergangenheit zu erklären versuchen. In Orten, die „New Paltz“ oder „Rhinebeck“ heißen. Ohne es zu ahnen löst mein Einwand, dass beides für mich eher deutsch, nach Neu Pfalz und Rheinbach, klingt, wahre Identitätskrisen aus. Da hilft es nur wenig, wenn ich tröstend zustimme, dass das englische Wort „Dutch“, für im englischen Sprachraum aufgewachsene, kaum vom Wort „Deutsch“ zu unterscheiden ist.