Der Castleton-Boat-Club gehört sicher zu den Meilensteinen einer Fahrt auf dem Hudson. Mooringbojen kosten fünf Dollar pro Nacht, Dusche und WLAN sind kostenlos. Sonst hat der kleine Ort kurz vor New Yorks Hauptstadt Albany eher wenig zu bieten. Im Halbstundentakt donnert ein Schnellzug mitten durchs Dorf. Entlang der Main-Street stehen stumme Zeugen der wirtschaftliche Lage der USA. Der Kontrast zu den Villen von Annapolis könnte kaum stärker sein: Plakate an den Strommasten laden nicht zum Tanztee des Bürgervereins, sondern warnen vor regelmäßigem Alkoholkonsum. Makler verzichten hier auf aufwendiges Anpreisen von Immobilien mit Blick aufs Wasser. Zwischen den Scherben zersprungener Fenster steht lediglich ein „Make Offer“ im Fensterrahmen. Die Farben auf dem Schild sind etwas blasser als im letzten Jahr geworden.
Trotzdem ist der Yachtclub unten am Fluss ein Magnet für Segler. Besitzt er doch den letzten Mastkran vor den niedrigen Brücken des oberen Hudsons.
Für die Benutzung des Krans verlangt der Club zudem nur 50 Dollar, etwa ein Drittel dessen, was die meisten Marinas in der Umgebung berechnen würden. Dafür allerdings gilt hier: „Do-it-yourself“. Kein Problem, liegen doch täglich drei oder vier Boote hier zum Mastlegen oder -stellen. Und jeder weis: Am schnellsten kommt man dran, wenn man dem Vordermann bei den Arbeiten hilft.
Material zum Abstützen des Mastes an Deck findet sich hinterm Clubhaus, da wo die Schnellzüge drei Meter nebenan unter lautem Hupen durchdonnern. Bauholz in allen Größen lagert hier. Rob, der gerade nach dem letzten Gewitter einen umgestürzten Zaun repariert, erinnert daran keine markierten oder zusammengebundenen Sachen zu verwenden: „Wir hatten letzten Sommer jemanden, der nach sieben Jahren wiederkam. Seine Maststützen waren noch genau so da, wie er sie hier gelassen hatte.“ – man ist eben auch ein bisschen Stolz auf seinen Ruf am Fluss. Auch ich habe hier meine Stützen im letzten Jahr zusammengebunden und beschriftet. Das „Zurück im Sommer 2011“ klang damals endlos weit weg. Heute kommt es mir vor als sei eine Woche seit dem vergangen.
Drei Stunden später liegt der Mast fest verzurrt an Deck und ich verabschiede mich zum dritten Mal aus dem Club. „Du kommst wohl dieses Mal weiter als bis nach Canajoharie“, lacht Rob.
Meine äußerliche Verwandlung zum Flussfahrer ist damit abgeschlossen. 15 Meilen weiter im Städtchen Tory wartete die erste Schleuse. Das Funkgerät läuft schon länger nicht mehr auf dem internationalen Anrufkanal 16, sondern dem US-Binnenkanal 13. Prompt antwortet dort „Erie-Canal Lock One“ und schließt den letzten Bezug zum Atlantik ab. – Die oberen Schleusentore öffnen sich zu einem gezeitenlosen Fluss.