Nordseewoche 2002. Foto: Hinnerk Weiler

Kommentar: Schlafmützen bitte nicht zur Nordseewoche

Mein letzter Besuch auf Helgoland liegt nun schon einige Jahre zurück. Trotzdem, ich mag die kleine Insel und damit bin ich nicht allein. Vielleicht ist das so, weil sie irgendwie ab vom Schuss liegt und sich einen Hauch von Provinz bewahrt hat. Wie beliebt deutschlands Hochseeinsel ist, zeigt sich jedes Jahr, wenn das Segelevent Nordseewoche über Pfingsten genügend Boote in den Hafen der Insel bringt, um trockenen Fußes von Kaimauer zu Kaimauer zu gelangen.

Begeisterte Segler fast aller Klassen und Sparten sind dann willkommen. – Solange sie nur zahlreich genug sind. Denn Einhandsegler, und jetzt kommt der provinzielle Teil, bleiben laut Mitteilung der Wettfahrtleitung auch weiterhin außen vor. Sie verstoßen in deren Augen grundsätzlich gegen des Seglers oberste Direktive: die Kollisionsverhütungsregeln. – Zumindest, glauben die Regattamacher das feststellen zu können. Man wundert sich fast, warum es denn dann nicht verboten ist.

[quote align=“right“ color=“#999999″]„Um es kurz zu machen, die Wettfahrtleitung der Nordseewoche lehnt es ab, single handed Segeln zuzulassen. Die Kollisionsvorfälle gleich zu Anfang des letzen Vendee Globe Rennens, bei denen es zu diversen Kollisionen von Regattateilnehmern mit Fischern und mit treibenden Tonnen kam, sind ein Beweis für die kritischen Aspekte des Einhandsegelns in stark befahrenen Gewässern.“ (Wettfahrtleitung der Nordseewoche)[/quote] Wer Einhandsegler ist, ahnt schnell, auf welch dünnem Gerüst das Fundament dieser Behauptung steht, die mal wieder nur zur Hälfte gelesene Regel Nummer Fünf. Die besagt unmissverständlich: „Jedes Fahrzeug muss jederzeit durch Sehen und Hören sowie durch jedes andere verfügbare Mittel, das den gegebenen Umständen und Bedingungen entspricht, gehörigen Ausguck halten, der einen vollständigen Überblick über die Lage und die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes gibt.“ – Die gern genommene Schlussfolgerung daraus lautet: Das kann kein schlafender Einhandsegler. Allerdings als Grund, die Teilnahme an den Regatten zu versagen taugt das auch nicht wirklich. Doch dazu später.

Vorab ein wenig zur Unmissverständlichkeit einer Regel, die gern missverstanden wird. Denn in ihr steht neben „jederzeit“ auch „gehörig“ und das darf im Rechtsdeutsch gern als „der Situation angemessen“ interpretiert werden. Und angemessen, bedeutet zum Beispiel, dass man durchaus mal dösen dürfte, wenn man nur sichergestellt hat, in der Zeit nirgendwo gegen zu fahren. Und wer es nicht selbst erlebt hat, muss sich sagen lassen, dass das auf einem Meer mit Blick bis zum Horizont tatsächlich möglich ist. Sind Einhandsegler also doch gar nicht pauschale Verbrecher?

[quote align=“center“ color=“#999999″]„Durch die mangelnden Möglichkeiten eines konstanten Ausgucks verstoßen Einhandsegler grundsätzlich gegen einzelne Passagen der Kollisionsverhütungsregeln, nach denen die Regatten der Nordseewoche ausgesegelt werden.“ (Wettfahrtleitung der Nordseewoche) [/quote]
Ginge es nach den Nordessewoche-Machern, wären sie es doch. In der Provinz des deutschen Segelsports distanziert man sich nach halber Lektüre einer Vorschrift lieber schnell von Veranstaltungen, die für schlechte Seemannschaft berühmt sind. Vornean deren Flagschiff, die Vendée Globe. Ein weltweit beachtetes Event, gleichermaßen eine Herausforderung für Menschen und Boote und ein Niveau, auf das man im Partyzelt auf Helgoland lieber nicht sinken möchte.

Da das allein aber nicht genug ist, wird noch schnell die Nebelkerze der Haftung hinterhergeworfen. Das zusammengestrickte Szenario: Würde man Einhandsegeln als Wertungsklasse zulassen, wäre die Wettfahrtleitung bei Unfällen mit haftbar. Schließlich hätte sie dem illegalen Treiben auf See ja Vorschub geleistet. Das ist so schlüssig, wie gegenüber der Deutschen Bahn zahlungspflichtig zu werden, weil ein Regattateilnehmer ohne Fahrkarte in einen Zug gestiegen ist, um rechtzeitig zum Start der Regatta nach Cuxhaven zu kommen. – Man hätte den Startschuss ja auch für ihn verschieben können.

Dieser Vergleich ist nicht weniger absurd, als das Argument, das schlafende Skipper die Regatten gefährden würden. Denn warum genau ein Einhandsegler bei den Wettfahrten der Nordseewoche überhaupt schlafen gehen sollte, bleibt offen. Rund Skagen, von Helgoland nach Kiel, das große Abschlussrennen, wird ohnehin nur von einem kleinen Teil der Crews gesegelt. Und diese Etappe ist natürlich nicht an einem Tag zu schaffen. Angesichts der Verkehrsdichte, wäre hier eine Einschränkung auch durchaus sinnvoll. Aber Rund Helgoland, von Cuxhaven auf die Nordseeinsel, zurück nach Bremerhaven, Helgoländer-Acht, von Wedel nach Cuxhaven … – alles Wettfahrten, die jemand der Regatten allein gewinnen möchte, auch ohne Schlaf schaffen kann. Nur etwas Mut braucht er dazu, aber daran mangelt es auch nicht so sehr auf den Booten. Die Schlafmützen sitzen woanders.


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