Che Guevaras Touristen

Touristenkuba voller Leben
Touristenkuba voller Leben

Kuba ist schön, gefällt, beeindruckt, irritiert, erschreckt und lügt einem bei alledem doch blank ins Gesicht. Wir streichen fasziniert durch die Kulisse eines gealterten Hemingway Romans. Imposante Bauwerke aus der Zeit spanischer Kolonien, an denen gebaut, renoviert und das touristisch mögliche herausgeholt wird. Für einen Stadtplan gehen wir in eine Hotellobby, zwischen deren Säulen gleichzeitig die kühle Briese vom Meer und die bunten Klänge einer Band ziehen. Hier drinnen ist es dunkel, wie überall in den Tropen. Schnell lernt man: Hell bedeutet warm, dunkel kühl. Auch das ist Teil des Charms,mit dem Havanna seine Besucher in ihren Bann zieht. Das Ambiente ist Mafia-Edel: Es wäre das normalste der Welt, wenn hier ein Sean Connery alias James Bond mit einem Martini an der Bar stünde und eine schnippische Konversation mit seinem Erzfeind führen würde.

In die Altstadt, La Habana Vieja, brachte uns der Bus von einem Hotel neben der Marina. Eigentlich dürfen nur die Gäste aus dem Hotel mitfahren, aber ein kleines Trinkgeld für den Fahrer ist besser als das bunte Band der All-Inklusive-Urlauber. Wir fahren durch ein Vorstadtflair aus schönen Stadtvillen und einfachen Wohnhäusern, mal über hübsche Straßen, mal durch schmutzige Gassen.

Im Zentrum von Havanna. Alte Autos und junge Menschen mit wenig Perspektive.

Je näher das Zentrum rückt, desto kaputter wirkt die Stadt. Viele der Häuser scheinen unter der karibischen Sonne zu zerfallen und es wirkt überraschend, in den Ruinen Menschen auf den Balkonen stehen zu sehen.

Im Zentrum erwacht das „typische“ Havanna aus diesem Ruinengürtel. Die Straßen sind voller amerikanischer Straßenkreuzer aus den Fünfzigern. Daneben: russische Ladas und italienischen Fiat 500. Sofern man die Augen halbgeschlossen hält, ist das alles romantisch. Überall stolze schöne Menschen, lachend, glücklich. Das Straßenleben ist nichts anderes als mitreißend. Ich bin geneigt zu sagen: „Wow, hier will ich bleiben“, komme aber nicht über das „Wow“ hinaus.

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Kaum ausgestiegen will uns jeder dieser eben noch stolzen Menschen etwas verkaufen. Das Zentrum von Kubas Hauptstadt scheint nur zwei Gruppen von Menschen zu kennen: Die, die versuchen einen CUC zu ergattern und die, die diesen CUC haben. – Letztere sind die Touristen. Denn der CUC ist das Touristengeld. Eine Phantasiewährung, die außerhalb Kubas nicht einmal handelbar ist. Sowohl die Einfuhr als auch die Ausfuhr sind zudem verboten. Im Land selbst aber ist dieser CUC der Schlüssel zum Wohlstand.

Kubas offizielle Währung ist der „Peso Nacional“. Er reicht zum Bezahlen der Miete, für einen Grundbedarf an Lebensmitteln und auch die eine oder andere Freude lässt sich damit auch ergattern. Alles darüber hinaus kostet CUC. Nicht viele, aber mehr, als die meisten Kubaner je ergattern können: Sechs CUC kaufen einen Liter guten Havanna Club, eine Zigarre, zwei saftige Sandwich mit Gemüse und Schinken. Nach langem Sparen ist auch ein Mobiltelefon dafür zu haben. Alles Dinge, die es kaum für nationale Peso gibt. Vor allem aber sind sechs CUC, etwa fünf Euro und zwischen 25 und 30 Peso. – Der halbe Monatslohn eines durchschnittlichen Kubaners.

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Es ist verständlich, dass jeder, der uns begegnet, auf der Jagd nach diesem Geld der Gringos ist. Lachen und Kubanische Lebensfreude ist der sChlüssel dazu. Das erwarten Che Guevaras begehrte Touristen in den Straßen von Havanna. Im Minutentakt hupt neben uns ein Auto „Hola Amigo, Taxi Señor?“… Männer geben sich freudestrahlend für eine begehrte Münze als Fidel oder Che Guevara Imitat. Hutverkäufer setzen lachend und scherzend jedem genervten Touristen einen Strohhut auf und werden böse, wenn man ihn nicht behalten will. In den Bars sitzen geduldig junge Mädchen in knappen Kleidern und warten.

Wir lassen uns auf das Spiel für einen Tag ein, setzen uns in den Hop-On-Hop-Off-Bus und lassen uns die Stadt zeigen. Ohne zu interpretieren, nur so, wie sie scheint, auf Touristen wirken zu wollen.

Wie die Kulisse eines Hemingway Romans bietet sich Kubas Hauptstadt Havanna immer wieder an.
Wie die Kulisse eines Hemingway Romans bietet sich Kubas Hauptstadt Havanna immer wieder an.

Das Experiment gelingt. Der Abstand der oberen Etage eines Doppeldecker-Buses lässt Raum für den Charme. Es ziehen Che Guevara Embleme vor symbolisch roten Oldtimern an uns vorbei auf einer viel zu breiten Straße zwischen Straße und Küste. Rechts die Weite eines tiefblauen Meeres, links die enge einer lebendigen Großstadt. Das Gefühl einer Zeitreise komplettiert sich: der Bus aus den Achtzigern, das Leben auf den Straßen aus den Fünfzigern und die Restaurants aus den Vierzigern.

 

Uns war von vornherein klar, dass wir hier allein auf Grund unserer Hautfarbe ein Ausdruck von Wohlstand bedeuten würden. Die Rolle, die uns Kuba zuschreibt, haben wir auf dem Weg hier her akzeptiert: Geld ins Land zu bringen. In Grenzen sind wir auch bereit, dafür das Dreifache zu bezahlen und mit etwas Cuba Libre gelingt es auch, sich von der Faszination der dargebotenen Kulisse vollkommen einnehmen zu lassen. Aber Kuba nicht so sehr die Kulisse eines Hemingway Romans, wenn es keine tiefe Geschichte dahinter gebe. Es ist eine traurige, wie in The Short Happy Life of Francis Macomber in der ein wildromantisches Safariabenteuer in Afrika dem Protagonisten für einen Tag Freiheit und Glück beschert, bevor seine Frau in deswegen erschießt.

Havanna ist ein Paradis für Fotografen. Die Suche nach Motiven fordert nicht viel mehr, als das heben der Linse.
Havanna ist ein Paradis für Fotografen. Die Suche nach Motiven fordert nicht viel mehr, als das heben der Linse.

Ganz so drastisch nimmt sich Havannas gern angenommene Inszenierung am Ende nicht aus. Wir überleben und sind happy, das „tolle“ Havanna erlebt zu haben. Es entspricht den Prospekten, Filmen, Büchern und es besucht zu haben bleibt ein Höhepunkt des Abenteuers dieser Reise.

Zurück in der Marina beginnen wir das Gesehene zu reflektieren. Wir treffen zwei Kanadier, die von ihrem zweiten Besuch in Kuba tief enttäuscht sind: Der Erste führte damals in eine der großen Hotelanlagen des Landes. Dort sind Touristen unter sich, das Personal ist ausgesucht und die überwiegend kanadischen und europäischen Gäste finden ein fröhliches Kuba mit gutem Essen und lächelnden Zimmermädchen vor. Sie schwärmen vom Buffet und der Lebensart der Kubaner, die sie dort kennengelernt haben.

Diesmal kamen sie mit dem eigenen Boot und waren schon von der Einreise wenig begeistert: „Jeder war nur auf sein Trinkgeld aus.“ Trotzdem sind sie bereits seit Wochen geblieben, um einen tieferen Endruck zu bekommen. – Dabei tun ihnen vor allem die Kubaner leid.

Immer wieder posieren  Männer in den Straßen für ein Foto als Che Guevara oder Fidel Imitat.
Immer wieder posieren Männer in den Straßen für ein Foto als Che Guevara oder Fidel Imitat.

Die Perspektivelosigkeit junger Menschen macht beiden zu schaffen. Wenn man mit den Leuten vor Ort redet, trifft man auf Geschichten wie der vom Kassierer im Laden der Marina: Der ist Englischlehrer. Doch mit Ende zwanzig weiß er, dass er wohl niemals an einer Schule unterrichten wird. Denn seine Sprachkenntnisse wurden zur falschen Zeit hier in der Marina gebraucht. Der Job wurde ihm zugeteilt und wer in Kuba einen Job hat, behält ihn meist für sein Leben. Es gibt kaum eine Chance auf Aufstieg oder Ausweg.

Wir sitzen beim abendlichen Bier in der nahen Bar und langsam füllen sich die Tische um uns herum. Die sechs Crews aus einer Marina, die weit am Bedarf vorbei für 400 Boote gemacht ist, trifft auf die Gäste der umliegenden Hotels. Um uns herum glückliche und lachende Gesichter, wie man sie von Kuba erwartet; wie wir sie in Havanna fanden. Vor allem sind es cafébraune Schönheiten zwischen 16 und 25, deren Bier von blassen Männern zwischen 40 und 70 bezahlt wird.

Einer aus unserer Runde hatte einen Kubaner darauf angesprochen: “Es scheint, als würden alle Frauen in der Gegend vom Sextourismus leben.“ Erbost hatte sein Gegenüber geantwortet: „Nicht alle! Nur 99 Prozent.“

Die leuchtenden Farben unserer Stadtrundfahrt verblassen weiter und die Begeisterung für die größte Karibikinsel sinkt mit jedem Tag, den wir in ihrer Hauptstadt verbringen. Am vierten Tag überlegen wir uns zu einem direkten langen Schlag vor der Küste gleich nach Mexiko zu starten.

Kuba-WaterfrontAber Kuba, erfahren wir, ist nicht nur Havanna. Abseits der Hauptstadt soll es ein anderes Land geben und dem wollen wir eine zweite Chance geben. Zwei oder drei Zwischenstopps auf dem Weg nach Mexiko wollen wir noch machen. – Über eine Stunde dauert das Ausklarieren dazu, obwohl wir laut Fahrterlaubnis nicht einmal das Land verlassen werden.

Etliche Papiere müssen dafür beschrieben und gestempelt werden. Auch mein Beruf wird noch einmal kurz zum Thema und noch einmal muss ich erklären, wo wir genau stoppen wollen und was wir dort genau wollen. Noch einmal wird mehrfach um „un Presénte“ gebeten. Wir zeigen uns geizig: Zwischen zwei und fünf CUC für jeden, der hartnäckig fragt.

Die größte Sorge der Behörden scheint bei der Ausreise eh, dass wir Kubaner an Bord hätten. Sogar in den winzigen Motorraum von Paulinchen wirft der Beamte der Küstenwache einen Blick, während im Vorschiff ein weiterer Beamter Taschen öffnet. Dann dürfen wir endlich in die Abendsonne Richtung Westen auslaufen.

Innig hoffen wir darauf, andere Erfahrungen im Land zu machen. Von anderen Seglern haben wir als Tipp bekommen, Buchten anzusteuern an denen „nichts“ ist. Denn dann ist dort auch keine Küstenwache die das Boot bei jeder Ankunft und Abfahrt erneut inspiziert, Formulare ausfüllt und „Presente“ verlangt. Doch was sollen wir vor Kubas Mangrovenwäldern? Die hatte ich schon in Fort Myers Beach eine Weile angesehen.

Für unseren ersten Stopp Entscheiden wir uns daher für einen Zwitter: Die kleine Insel, Cayo Levisa, auf der es nichts außer einem winzigen Hotel gibt. Eine Chance, für eine zweite Perspektive, die sich gelohnt hat…

(Fortsetzung folgt)


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