Wir segeln mit Tarnkappe, wie ein Kriegsschiff auf Patrouille. – Kein Licht, und kein Radarreflektor verrät unsere Position in dieser Nacht vor der Küste Mittelamerikas.
Vor Nicaragua streckt sich ein weites Flach mit einigen Riffen weit in die Karibik hinaus. Die Passage durch dieses Labyrinth aus Riffen spart einen ganzen Tag auf der über 400 Meilen langen Strecke. Allerdings sind selbst die neuesten Seekarten dieser Region zu ungenau, um hier bei Nacht zu segeln. Auf halbem Weg um Nicaraguas Ostküste legen daher viele Boote eine Pause hinter diesen Felsen ein. – Weit ab vom längst als viel zu gefährlich berüchtigten Festland. – Doch immer öfter machen Geschichten von Booten die Runde, die auch an diesen Ankerplätzen bei Nacht überfallen wurden.
Meist sind es einfache Fischer, die zu Piraten werden, um sich eine immer kargere Ausbeute im Netz aufzubessern. Streng genommen sind es auch nur wenige Vorfälle überhaupt. Aber auch, eine Handvoll dieser Angriffe pro Jahr ändert nichts an der Tatsache: Hier wurden Segler brutal ausgeraubt, vergewaltigt und sogar für ein paar Dollar ermordet.
Schlaf würden wir hier eh nicht finden und gerädert sehnlich die ersten Sonnenstrahlen zur Weiterfahrt erwarten. Auch, wenn die Situation einwenig entspannter ist, seit die US-Marine gemeinsam mit der Küstenwache von Nicaragua das Gebiet patrouilliert.
Statt eine Nacht zu warten, segeln wir weit außerhalb der Riffe in tieferem Wasser. Immer wieder macht unsere Kurslinie am Kartenplotter deutliche Bögen um hell erleuchtete Fischer, offenbar ganz und gar mit dem Fischfang beschäftigt.
In der Weite des Atlantiks hatte ich keine Nacht meine Beleuchtung abgeschaltet, um Strom zu sparen. Heute, keine fünfzig Meilen vom Festland, hatte ich sogar den elektrischen Radarreflektor abgestellt und mich gefragt, wie viele Graustufen zwischen Schwarz und Weiß wohl gute Seemannschaft verträgt. Rational erscheint es mir unverantwortlich, derart getarnt durch einen Teil der Westkaribik zu segeln, in dem fast so viel gefischt wird, wie im heimatlichen Kattegat. Aber gute Seemannschaft bedeutet doch vor allem, sein Schiff sicher ans Ziel zu bringen.
(dieser Text erschien zuerst in segeln 05/2014)
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