Ob nun einige Stunden oder einige Tage unterscheidet sich in der Planung eines Törns kaum. Das Handwerk Segeln ist inzwischen zu einer Routine geworden und allenfalls ein letzter Gang zum Supermarkt und ein Stopp bei einer Tankstelle markiert die konkreten Vorbereitungen für einen Törn. Natürlich auch ein Blick auf die Seekarte und die Besonderheiten der bevorstehenden Strecke. Aber das ist auch bei einem Tagestörn nicht anders.
Das Boot ist ohnehin immer für einige Tage Unabhängigkeit proviantiert, allein schon für den Fall einer plötzlichen Schlechtwetterfront oder eines Defektes am Dingi. Über die letzten Jahre geschätzt, setze ich abgesehen von diversen Tagestörns meine Segel meist für kaum länger als zwei Tagen. Meine Lieblingsstrecken liegen im Bereich von drei bis fünf Tagen. Darunter braucht es nicht einmal mehr eines besonderen Einkaufs.
Dazu kommt eine Handvoll mit Schlägen von mehr als einer Woche Reisezeit. Aber Ozeanüberquerungen oder ähnliche Gewaltakte sind auch auf Langfahrt aussergewöhnliche Strecken, für die Proviant gezielt eingekauft wird und vor denen das boot ausführlich inspiziert wird.
Für die meisten Törns hingegen kaufe ich aus dem Bauch heraus für die nchsten Tage auf See ein: Einige Konserven, allerlei frisches Obst… Immer auch einige Süßigkeiten für lange Nächte.
Vor diesen Etappen findet auch immer ein kurzer Rundgang an Deck statt. Neben Verschleißteilen, wie den Steuerseilen an der Windfahne, gehört dazu auch ein ein Blick auf alle Sicherungsbolzen und Wantenspannung. Habe ich vorher längere Zeit nur geankert oder in einer Marina verbracht, klettere ich zudem meist noch einmal in den Mast für eine kurze Inspektion.
Wirkliche Planung gibt es auf kürzeren Mehrtagestörns nur für die Ankunft: Die sollte am frühen Morgen sein.
Da die meisten Reisen um unter 48 Stunden liegen, richte ich ein Hauptaugenmerk auf das Ankommen. Frühes Einlaufen ist dann besonders wichtig, wenn es darum geht, in einem Land einzuklarieren und noch vor Büroschluss alle nötigen Stellen zu besuchen. Aber auch sonst mag ich es, den ersten Tag an einem neuen Zuhause in Ruhe angehen zu können, meinen Platz im Hafen zu finden, erste Kontakte zu knüpfen oder auch in aller Ruhe den Anker auszubringen und das Boot aufzuklaren. Meine Zeitplanung auf längeren Schlägen hat sich darauf längst eingestellt.
Die Überfahrt von Honduras zur kolumbianischen Insel Providencia beispielsweise brachte dadurch einen ganzen Tag mehr auf See mit sich als eigentlich nötig: Noch 160 Seemeilen vom Ziel entfernt, im zuverlässig wehenden Passatwindgürtel der Karibik pendelte sich das GPS auf eine Ankunftszeit zwischen 15 und 20 Uhr ein. Statt im Stress gegen eine untergehende Sonne in unbekanntes Flachwasser zu segeln, fiel die Entscheidung leicht, eine weitere Nacht auf See zu verbringen. Im dritten Reff, bei zehn Knoten Wind mit weniger als drei statt fünf Knoten auf das Ziel zuzufahren.
So ähnlich hatte ich es auch vor den Azoren erlebt. Damals allerdings in weniger stabilen Windverhältnissen. Darum segelte ich dort unter Vollzeug weiter, bis etwa 20 Meilen vor die Insel São Miguel und wartete über Nacht beiliegend auf den Sonnenaufgang.
Zu Früh das Tempo zu drosseln ist riskant. Denn zu leicht kann eine morgendliche Flaute oder ein nächtlicher Landwind entlang einer Küste die ganze Planung durcheinander werfen.
Zu genaue Reiseplanung ist auf längeren Etappen eh vergebene Mühe. Eher kommen Faustformeln aus dem Bauch heraus zur Anwendung:
Einhundert Seemeilen sollten pro 24 Stunden im Kielwasser bleiben. Das ist absichtlich konservativ geschätzt. In der Realität sind es meist Etmale um die 120 Seemeilen, die Paulinchen täglich überwindet. Diese Ungenauigkeit lässt Raum für schwankende Windstärke und die unvermeidlichen Kursschwankungen durch Winddreher. Auch ein Bogen um ein Gewitter passt in diese Kalkulation mit hinein.
Geht die geplante Etappe über längere Strecken gegen den Wind, multipliziere ich die Distanz zum Ziel vorher mit 1,6. Dieser Wert berücksichtigt bei einem Wendewinkel von etwa 90 Grad auch etwas Abdrift durch Wind und Wellen.
Ankommen möchte ich am liebsten etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang. Sogar noch später, wenn die Hafeneinfahrt aus Westen anzusteuern ist und eine tiefstehende Sonne mich blendet und die Farbe von Tonnen in ein einheitliches Dunkel verwandelt. Dann ist ein letztes ausgedehntes Frühstück auf See Blutdruckschonender, als eine unnötig komplizierte Ansteuerung.
Um jeden Preis aber vermeide ich spätes Ankommen. Wenn ich den Hafen nicht kenne, markieren zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang meine Wohlfühlgrenze. Liegt vor dem Hafen eine Riffpassage, ist der Sonnenstand dort umso wichtiger. Untiefen im Wasser nicht sehen zu können, ist auch im Zeitalter von digitalen Seekarten in vielen Revieren sehr riskant. Zu oft habe ich in den morgendlichen Funknetzen karibischer Ankerplätze von Booten gehört, deren Geduld nicht mehr für eine letzte Nacht auf See ausreichte und die im blinden Vertrauen auf ihren Kartenplotter im Dunkeln gegen ein Riff gefahren sind.
Sie sind meine Mahnung daran, immer eine Nacht als Reserve einzuplanen und allen Versuchungen zu Wiederstehen, doch noch mit Eile unbedingt am Abend irgendwo einlaufen zu wollen. Ganz abgesehen davon, dass Nächte auf See ohnehin zu den schönsten Augenblicken des Segelns zählen.
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