Der Norddeutsche Rundfunk wird, wie die Kieler Nachrichten melden, am kommenden Dienstag seine Radioprogramme auf den Frequenzen der Mittelwelle abschalten. In den umliegenden Schrebergärten in Hamburg dürfte das für kurze Verwirrung sorgen. Dort haben ganze Generationen die Sendeleistung aus den Türmen für den Betrieb von Leuchtstoffröhren genutzt, die dann mitten im Winter dunkel bleiben werden.
Die zweite Auswirkung betrifft vor allem Segler. Sie werden auf dem nächsten Ostseetörn vergeblich darauf warten, dass das Progamm für die Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes unterbrochen wird. Auch das heimelig langgezogene „Nord-Ooooost 3-4“, Garant für eine schnelle Heimreise aus der dänischen Südsee, wird dann nur noch vom Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur gesendet.
Werden offenbar Abgeschaltet:
Flensburg | 702 kHz |
Hamburg | 972 kHz |
Hannover | 828 kHz |
Lingen | 792 kHz |
Da überrascht es nicht, dass sich bereits leichter Protest formt, der die Entscheidung des NDR als unverantwortlich im Sinne guter Seemannschaft verurteilt. Schließlich gehört das Einholen eines Seewetterberichts zu den unumstößlichen Pflichten eines Skippers.
Zu fragen bleibt aber, wie weit es mit der vielzitierten Seemannschaft her ist, wenn ein Skipper im Jahr 2015 dazu mit Tonbandgerät vor dem Mittelwellenempfänger sitzen muss. Vermutlich ist es aber ohnehin viel mehr ein traditioneller Ritus, der diese Debatte befeuert: Bedauern statt ernsthaftem Protest. Ein weiteres Stück Seefahrtsromantik mit knisterndem Empfang geht dahin.
Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Fahrtentörns durch die dänische Südsee. Dort war es die allerdings stets die Erkennungsmelodie von Radio Kalundborg, die sich jeden Morgen ins Pfeifen des Wasserkessels mischte. So etwas konditioniert und noch heute sitze ich manchmal beim Frühstück unter Deck und pfeife…
Wer seine Wetterberichte nicht ohnehin morgens als E-Mail im Posteingang findet, tut also gut daran, einige Wortfetzen Dänisch zu lernen. Denn es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die verbleibenden deutschen Sendungen eingestellt werden. Die gibt es bis dahin um 01:05 Uhr, 06:40 Uhr, 11:05 Uhr, und während der Sommerzeit auch um 21:05 Uhr auf 1269 kHz (Deutschlandfunk) und Langwelle 177 kHz (Deutschlandradio Kultur). Aber das sind alles keine Uhrzeiten für ein gemütliches Frühstück.
Daran ändert auch nichts, dass die Dänen den allgemeinen Trend zur Abschaltung von Frequenzen umgekehrt haben und Kalundborg – zumindest als Langwellensender – ist seit 2011 wieder auf Sendung: Seewetterberichte, Nachrichten, eine morgendliche Gymnastiksendung und natürlich nautische Nachrichten für die Ostsee, werden von Seeland aus wie gewohnt mit 50 kW auf 243kHz im analogen AM-Modus gesendet. – Ganz so, wie damals.
Eine Übersicht mit allen offiziellen Funk-Wetterquellen für die Nord- und Ostseee gibt es übrigens auch beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Als PDF wird der „Wetter- und Warnfunk 2015“ zum Download angeboten. Die Mittelwellenfequenzen des NDR sind darin schon nicht mehr angegeben.
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