Vom Badeausflug in die trübe Brühe des Hafens von Fort Myers hatte ich etwas Schnupfen und Husten mit nach oben gebracht. Jetzt, fünfzig Meilen vor der Küste gesellen sich auf einmal Fieber und kleine Bläschen im Rachen und auf der Zunge dazu. Ich erinnere mich an Larry, der nach dem Reinigen seines Unterwasserschiffs einen Tag lang ähnliche Symptome hatte: Zwei weitere Tage später verfärbte sich ein Bein und er verschwand für vier Tage mit einer schweren Infektion im Krankenhaus. – Umkehren, einen Hafen auf dem Weg anlaufen oder einfach weiterfahren?
Wir entscheiden uns fürs Weiterfahren. Würde ich über Nacht ernsthaft krank werden, sind wir eh schneller nach Key West abgedreht, als jetzt an der Kreuz gegen den Wind zurück in Fort Myers. – Außerdem gehörte doch „zurück“ zu den verbotenen Worten.
Auch, weil ich eine Absprache mit dem Zoll hatte. Die ist eindeutig: Ich durfte mein Cruising Permit um drei Monate überziehen, aber von Fort Myers aus muss ich dafür direkt in einen ausländischen Hafen fahren. Erst nach 14 Tagen darf ich woanders in die USA wieder einreisen. – Wegen einer Erkältung mit etwas Fieber würde ich ungern mit der Küstenwache in Key West über diese Details diskutieren. Andererseits gehört es nicht zu den besten Ideen in einem Land wie Kuba zu versuchen, mit offensichtlicher Krankheit eine Freigabe zum einholen der gelben Flagge zu bekommen… Die mögliche Aussicht auf eine Quarantäne in Havanna beflügelt zwar sicher die Selbstheilungskräfte, aber als Kinga die erste Wache übernimmt, mache ich mich über die Bordapotheke her und nehme ein Breitbandantibiotikum. Dann schlafe ich schweißnass ein, fühle mich saumäßig, in einer Mischung aus Seekrankheit, Erkältung und klebrigem Fieberschweiß.
Die Vorzüge des Segelns zu zweit: Kinga verlängert ihre Schicht. Meine Wache beginnt erst um ein Uhr nachts. Im Schlafsack liege ich bei 25 Grad unter einem mondlosen sternenklaren Himmel. Ich döse wieder im Takt der Eieruhr. Aber wir sind allein auf dem Golf. Wie Whister sagte: Niemand fährt bei zwei Meter See hinaus.
Die Einhandseglerroutine ist schnell wieder da. Nur drei Mal klingelt der Küchenwecker, sonst wache ich immer einige Minuten vor Ablauf der zwanzig Minuten langen Schlafphasen auf. Kein Licht außer dem Schein der Dreifarbenlaterne im Topp und dem Leuchten von Millionen Sternen über uns.
Ich zähle vier Sternschnuppen, wünsche mir zweimal eine gute Überfahrt nach Havana, zweimal gesund zu werden. Das Boot rollt jedes Mal direkt danach besonders weit hin und her, als wollte Paulinchen sagen: „Sei dir sicher, ich mach das schon, Hauptsache, wir sind jetzt erst mal los, werde erst mal gesund.“
10Der Morgen beginnt wie jeder Tag auf See: Aus dem Schwarz wird ein dunkles Blau, dann ein Violett und später leuchtendes Rot. Dann hebt sich die Sonne aus dem Meer. Wir tauschen wir noch einmal die Wachen und ich falle unter Deck wieder in einen weiteren tiefen fiebrigen Schlaf bis zum Mittag Beim Aufwachen ist das Fieber gegangen, die Koje triefnass, die Übelkeit, der Husten und das Schwächegefühl nehmen ab.
Laut Wetterbericht soll es auch am zweiten Tag der Reise bei böigem Ost bis Nordost bleiben. Wir runden unter strahlender Sonne die Sandbänke vor Dry Tortuga und nehmen Kurs auf den zweiten Wegpunkt unserer 230 Meilen langen Etappe. Im GPS heißt der: „Anst-Hav“ – Ansteuerungstonne Havana.
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