Weiter kann ein Blick nicht reichen. Bis zum Horizont breitet sich die leicht wellige Ostsee aus. Keine Ufer, keine Häfen und auch andere Boote tauchen allenfalls als weiße Punkte in der Ferne auf, ziehen vorüber und lassen mich inmitten tiefen Blaus zurück. Ich bin wieder auf See.
Der elektrische Autopilot rattert hin und wieder, wenn Paulinchen bei ihren fünf Knoten Fahrt von einer Welle gestört wird, und angesichts eines so perfekten Tages auf See ist selbst der zerstörte Bugbeschlag nicht mehr ganz so ärgerlich. Doch nicht umsonst heißt es: „Den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Kaum löst sich die Fehmarnsundbrücke aus dem leichten Dunst am Horizont, nimmt der Wind immer weiter ab, bis die Ostsee bleiern daliegt. Nur der Schwell von einem irgendwo anders wehendem Wind oder die Heckwelle eines hinterm Horizont verschwundenen Frachters lässt die Segel unmotiviert hin und her schlagen. „Flapp, Flapp“, dann kehrt die Stille bis zur nächsten Welle wieder an Bord zurück.
Zeit, die Segel einzupacken und die letzten Meilen unter Motor zurückzulegen. Ein Stunde lang brummt der 18 PS Yanmar mit knapp 3.000 Umdrehungen vor sich hin, dann wird es leise unterm Niedergang. Egal wie weit ich den Gashebel nach vorn schiebe, Sekunden später sinkt die Drehzahl wieder auf wenig über Standgas. Garniert vom „Poff“ einiger Fehlzündungen geht der Motor aus.
Dieselmotoren sind genügsame Wesen. Etwas Sprit und viel Luft, zum Laufen brauchen sie nicht viel mehr. Der Luftfilter ist durch die Fehlzündungen etwas ölig verrußt, doch selbst ohne Filter startet der Motor nur für wenige Sekunden. Dabei ist es schon erfrulich, dass er überhaupt startet. Ihm fehlt also vermutlich nur etwas von dem Diesel, der im halbvollen Tank herumschwappt.
Während ich auf der Ostsee treibend im Motorraum stecke hat der Wind wieder etwas aufgefrischt. Aus den „zwei bis drei Windstärken aus nordwestlichen Richtungen“, die der Deutsche Wetterdienst versprochen hatte, wurden zwar nur ein bis zwei Windstärken, und die wehen mir direkt aus Osten auf die Nase, aber lieber gegen eine Flaute ankreuzen, als ohne Druck im Segel vor ihr hersegeln zu müssen. Aus den vom GPS ursprünglich errechneten 20:00 Uhr ist mittlerweile 02:30 Uhr in der Nacht geworden. Doch der Wind nimmt weiter zu und der Törn verwandelt sich in einen wundervollen Segelabend.
Ab Leuchtturm Flügge gesellt sich für eine halbe Stunde ein Schweinswaal zu Paulinchen, taucht mit lautem Prusten mal an Steuerbord und mal an Backbord auf, weist mir regelrecht den Weg in die sichere Rinne zum Hafen Orth. Hinter mir geht die Sonne langsam unter, die schönste Zeit zu segeln bricht an. Als die Leuchtfeuer ihren Takt gefunden haben, berge ich das Groß und laufe unter Genua mit halbem Wind in den Hafen ein. Nach einem letzten vergeblichen Versuch den Motor in der langen Boxengasse zu starten werden hilfsbereite Hände am Steg fast von alleine auf mich aufmerksam.
Schlamm im Diesel
Die erste Diagnose bewahrheitet sich am nächsten Morgen als richtig: Irgend etwas hat die Spritleitung fest verschlossen. Absaugen mit der Handpumpe geht nicht, also bleibt nur, den Pfropfen mit einer falsch herum angeschlossenen Handpumpe wieder in den Tank zurück zu befördern.
Das Wirbelt zwar den dreckigen Diesel gewaltig auf, aber nach einiger Zeit wird er sich wieder setzen. Dann kann der Bodensatz über die Spritleitung abgesaugt werden. Neugierig wie ich bin, passiert das durch einen Kaffeefilter: Sofort setzten sich kleine Schleim-Klumpen auf dem Papier ab. Genau das lebendige Gemisch, das Kollege Gerald für seinen Dieselmittel-Test vor einigen Monaten nur schwer auftreiben konnte. Der Dieselfilter selbst sieht auch nicht besser aus. Wenige Wochen alt ist er bereits am Rand vollkommen verschleimt. Offenbar hat sich über den Winter einiges im Tank an Leben entwickelt. Nachdem rund drei Liter schmierigen Diesels abgesaugt sind, bleibt ein weiterer Kaffeefilter sauber. Bis zum Werftaufenthalt in Travemünde sollte also nachdem der Dieselfilter getauscht ist nichts mehr passieren. Doch für die Zwangspause kommt unter anderem das Durchspülen des Tanks auf die To-Do-Liste. – Es stimmt: „Unterwegs wird es nie langweilig… und immer gibt es etwas zu reparieren“. Aber muss das alles an den ersten Tagen passieren?
Zum Schluss wird es noch einmal spannend: „Vollgas geben und den Anlasser betätigen, steht in der letzten Anweisung des Yanmar Werkstatthandbuchs zum Thema entlüften der Spritleitungen. Und wirklich, nachdem der Jockel eine Weile auf seinem Motorsockel hin und her wackelt, seinem Namen alle Ehre macht und mit einigen Fehlzündungen den letzten Ruß und Dreck aus seinen Brennkammern jagt, läuft er wieder ruhig und gleichmäßig, nimmt Gas an und wirkt, als wäre nie etwas gewesen.
Ja, all das muss jetzt passieren, jeh eher desto besser. Denn nur so entsteht die Sicherheit und Routine, mit all dem auch fertig zu werden, wenn ich 1.500 Meilen weit von jeder Werkstatt allein mit diesen Problemen fertig werden muss. Aber jetzt schnell weiter nach Travemünde in die Werft, denn einen Bugkorb zu schweißen, dass muss ich dann doch nicht lernen. Der Sommer und Finnland warten schließlich nicht ewig auf mich.
Schreibe einen Kommentar