Geht denn das?

Boxenliegen – eine eher für die Ostsee typische Liegeart – ist mir noch nie sympathisch gewesen. Zum einen ist längsseits anlegen für einen Einhandsegler deutlich einfacher, zum anderen kommt man parallel zum Steg besser an Bord als über den Bugkorb kletternd, und letztlich hat man zwar weniger Privatsphäre im Cockpit, liegt dafür aber deutlich kommunikativer. Lauscht man den vorbeiströmenden Touristen, lohnt es sich immer einen Notizblock dabei zu haben.
Beginnen wir, – vollkommen klischeefrei – mit einer Dame mittleren Alters und Berliner Dialekt: „Guck mal, die haben sogar Satellitenfernsehen an Bord“, während der Finger auf die Solarzelle am Heck deutet. Wenig später zeigt sich mehr Sachverstand: „Oha, ein Segler mit Solarantrieb.“ Naja, fast, angetrieben wird das Boot zwar vom Segel, aber immerhin.
In Begleitung dreier Damen gibt sich natürlich kein Mann gern die Blöße des Nichtwissenden. Doch manchmal ist in so einer Situation Schweigen auch nicht so schlecht. Besser jedenfalls, als auf die Frage, was denn das da hinten an meinem Boot sei, statt meine Erklärung abzuwarten Folgendes festzustellen: „Das ist so ein mechanisches Navigationsgerät. Aber heute macht man das doch alles mit Computern. Hat ja auch sonst keiner hier mehr an Bord.“ – Ganz Gentleman bleibt mir nur, dem Sachverstand durch eine Handbewegung beizupflichten. Ich hoffe nur, dass die Damen nicht so häufig in die Gelegenheit kommen, ihr frisch erworbenes und nicht ganz einwandfreies Wissen weiterzugeben.
Auch der Landgang bietet manchmal Überraschungen: Weit über der Ostsee spricht mich eine ältere Dame am Leuchtturm Dornbusch auf Hiddensee an: „Na junger Mann, wie wird denn das Wetter?“ Ich bin etwas überrascht und man sieht es mir wohl an. „Sie sind doch Meteorologe, oder?“ Mit bleibt nur ein bedauerndes Verneinen. „Ich dachte, weil die Meteorologen im Fernsehen doch auch immer so einen Puschel in der Hand haben.“ Der Blick weist auf die Videokamera, auf der sich ein Mikrofon mit Windschutz befindet.
Wieder an Bord dauert es nicht lange, bis mich ein Mann um die vierzig anspricht: „Kommen sie ganz den Weg von Hamburg hier her?“ – „Naja, fast ich bin in der Schlei gestartet.“ – „Und wo geht es noch hin?“ – „Ich wollte diesen Sommer bis Helsinki und dann über die Baltischen Staaten und Dänemark zurück.“ – „Oh, kommt man denn da überall von Finnland aus hin?“
Meine Solarzelle ist offenbar immer wieder als Gesprächsthema geeignet. Jedenfalls ist die „Oh, der hat Solar dabei“-Feststellung ein ständiger Begleiter. Manchmal kommt dabei allerdings auch etwas Interessantes zustande: „Oh, der hat sogar ein Dings drauf – also Solar.“ Der Träger der Stimme kommt näher: „Funktioniert die?“ – „Ja, ich bin ganz zufrieden.“ – „Was betreiben sie denn an Bord damit? Die liefert ja nur bei Sonne Strom.“ – „Hmm, eigentlich alles, was ich an Bord so brauche und den Strom kann man ja auch in Akkus etwas aufheben und abends damit Licht machen.“ – „Echt? Dann können sie ja sogar nachts fernsehen?“
Ganz toll für das eigene Ego ist natürlich auch, wenn man zwischen einer 46 Fuß-Jeanneau und einer 52 Bavaria liegt. Wie zwei Eisberge ragen die hochbordigen Rümpfe aus dem Wasser und der durch die Proportionen etwas verwirrte Tourist an der Mole glaubt zu erkennen: „Ei, das ist aber ein kleines Boot. Ganz aus Hamburg sind Sie aber damit sicher nicht her gesegelt oder?“ – „Nein, gestartet bin ich in der Schlei.“ – „Das ist aber auch schon ein ganzes Stück, zelten Sie an Land oder nehmen sie sich immer ein Hotel?“ – „Nein, ich schlafe an Bord.“ – „Geht denn das?“ – „Ja, das Boot hat fünf Schlafplätze, eine Küche und eine Toilette.“ – Sprachlosigkeit.
Ich möchte betonen, dass dies natürlich die Highlights aus gut zwei Monaten an Bord waren und in keinem Verhältnis zu den netten Gesprächen stehen, wegen denen ich sonst das Längsseitsliegen so sehr mag.


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