Dösen, Wachen, Lesen… Alltag auf See ist selten spannend. Gegen Nachmittag nimmt der Wind langsam weiter zu. Reffen! Beim ersten Gedanken und keine Minute später. Über die Cockpit-Uniform, kurze Hose und Polohemd, kommt die Vorschiffsgarnitur: Ölhose, Jacke, Rettungsweste, Lifebelt. Paulinchen bockt und mein Gewicht auf dem schlanken Vorschiff verringert den Anteil überkommender Wellen nicht gerade. Die Einhandakrobatik beim Vorsegelwechsel mit Rollanlage ist alles andere als genussvolles Segeln. Doch habe ich mir fest vorgenommen mit der großen Genua keine Experimente zu machen.
Das Problem mit Rollreffanlagen und großen Vorsegeln ist, dass man versucht ist, sie zu lange angeschlagen zu lassen. Statt bei moderaten Winden den unangenehmen Akt des Segelwechsels zu unternehmen, rollt man sie lieber etwas ein. Frischt es dann weiter auf, steht man vor der Wahl: Entweder weiter einrollen und in Kauf nehmen, dass das Profil nicht mehr vernünftig zieht und man weniger Höhe laufen kann oder man muss den Segelwechsel dann machen. Doch dazu muss das Segel bei mittlerweile viel zu viel Wind erst einmal wieder komplett ausgerollt werden. Also wird die große Genua nicht gerefft. Beim ersten Anzeichen von zu viel Wind kommt das Tuch herunter und die kleine Genua geht ans Vorstag.
Patschnass kämpft man mit dem riesigen Tuch und versucht es in zumindest soweit zusammenzurollen, dass es unter Deck halbwegs verschwinden kann. Geschafft? Mitnichten: Im auf und ab der im Schnitt einen Mete hohen Wellen geht es dann daran, dass kleinere Segel wieder zu setzen. Kein Problem bei einem Stagreitersegel. Doch in die Schiene der Rollanlage muss man das Segel mit der Hand einführen – und gleichzeitig das Fall hochziehen. Gut eine halbe Stunde dauert der Segelwechsel, dann kann Paulinchen endlich wieder anluven und mit sechs Knoten Fahrt in Richtung Ziel segeln. Der Alltag kehrt zurück: Dösen, Wachen, Lesen… noch 190 Meilen.
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