Am zweiten Weihnachtstag kehrte wieder Geschäftigkeit in den Hafen zurück: Das warnende Piepsen der Fähren beim Heben und Senken ihrer Gangway, auf den Landungsbrücken brüllt jemand “Hiiiieeeer Haaaafenrundfahrt” und langsam zieht ein Frachter durch das vernebelte Fahrwasser. Mit dem Tauwetter wurde es ungemütlicher an Bord. Paulinchen schwamm zwei Tage lang inmitten unendlich vieler kleiner Eisklumpen und im Rigg pfiff regendurchsetzter Südwestwind. Das Hamburger Winterwetter lässt das Boot gleichmäßig schaukeln, Festmacher knarren und vom Rumpf her klingt es, als ob das Boot sich inmitten eines Bettes aus tausend Kieselsteinen hin und her wiegt. Das Idyll wird nur unterbrochen vom steten Schnaufen und Husten, das sich gerade unter Deck ausbreitet. Meine erste richtige Erkältung seit Jahren. Auch das ist mal etwas Neues.
Die Feiertage brachten aber auch schöne Überraschungen mit sich: Anrufe, E-Mails, SMS und der unerwartete Besuch von Freunden. Meist kamen die Grüße von Menschen, die ich nur kurz auf meiner Tour im letzten Sommer getroffen hatte. Vielleicht ist es doch so, dass dieses “Zwischen den Jahren” mehr zum Nachdenken anregt, als es der Wortsinn vermuten lässt. Es ist ein Moment, um sich an Augenblicke zu erinnern, die vorüberziehen und die sonst nie mehr wiederkommen.
“Im Sommer 2010 beginnt eine wirklich große Segelreise”, hatte ich vor einigen Jahren ins Logbuch der Sumpfkuh geschrieben. Dann habe ich versucht, die Zeit zu überholen. Das Vorhaben hat ein Jahr früher seinen Anfang genommen. Doch ihr wirklich großer Teil beginnt ja tatsächlich nun. Wenn ich Hamburg verlasse, dann nehme ich Kurs auf die Überquerung des Atlantiks.
“Ein Koffer voll Hoffnung” erinnert ein großes Schild über dem Museumsschiff Cap San Diego rund hundert Meter vor mir. Rund fünf Millionen Menschen sind von hier aus zwischen 1850 und 1915 zu einer ganz ähnlichen Reise gestartet. Damals ging es in die Neue Welt. Die war sicher noch weitaus neuer, als sie es heute ist, und verglichen mit den damaligen Reisebedingungen, ist das Warten im warmen Luftstrom der Dieselheizung an Bord von Paulinchen sicher mehr ein Genuss als Strapaze. Aber ein Koffer voller Hoffnung ist auch der Grundstock meiner Reise. Es ist nicht die existenzielle Hoffnung derer, die damals alles hinter sich ließen, in der Überzeugung alles sei besser als das, was sie zurückließen. Meine Hoffnung ist die Aussicht auf Veränderungen in mir. Es ist die Hoffnung, dass ich die Ängste vor dem Kommenden überwinden kann, während ich Schritt für Schritt meinen Weg auf dieser Reise mache. Es ist die Hoffnung, dass meine Neugierde niemals versiegt und mich weiter zieht, wenn die Zeit in einem Hafen zu lang wird und natürlich nicht zuletzt die Hoffnung, dass mich mein Schiff, mein Körper und mein Geist sicher über die Meere bringen.
Kommentare
Eine Antwort zu „Kofferpacken“
Schöne Worte zum Ende des Eintrags!
Ich drücke die Daumen, dass sich die Hoffnungenund Wünsche erfüllen und hoffe vor allem bei ‚die Hoffnung, dass mich mein Schiff, mein Körper und mein Geist sicher über die Meere bringen‘ mit.