Der Wetterbericht beschreibt das Segeln auf dem Atlantik in meiner Gegend in etwa so: „Northeast 5-6, inc. 7, rough, becoming very rough in 7, gusts, vis. moderate.“ Mit anderen Worten, das gemütliche Dahinsegeln ist Geschichte. Die grobe See haben wir schon seit einigen Tagen. Ihr erstes Opfer: die Windsteuerung. Auf einmal schoss Paulinchen in den Wind. Segelflattern, Bockspringen. Mit allem hätte ich gerechnet, nicht aber mit einem abgebrochenen Pendel im Wasser, eine faserige Bruchkante direkt unter dem Niro-Flansch, der das hölzerne Profil fixiert, zehn Zentimeter neben der Gummihalterung, die im Falle einer Überlastung das Pendel herausspringen lassen soll, damit es unbeschadet an der Sicherungsleine heraufgeholt und neu eingehängt werden kann.
Im Nu ist der elektrische Pinnenpilot montiert und übernimmt wohl für den Rest der Reise das Ruder. Eine Herausforderung, denn allzu viel Vertrauen habe ich in diese Pinnenpiloten nicht. Bei jeder größeren Reise ging mir bisher einer kaputt, der letzte im vergangenen Jahr in den Schären kurz vor Stockholm. Zugegeben: keine Ahnung, wie lange der vorher schon seinen Dienst an Bord tat.
Dieser ist jedenfalls noch reichlich jungfräulich und seine härteste Belastung war bisher der Nord-Ostsee-Kanal – Ein etwas anderes Revier als das hier, und bis Sao Miguel waren es Sonnabend noch genau 509 Meilen. Aber der ST1000+ scheint seine Aufgabe ernst zu nehmen und den Ruf seiner Vorgänger verteidigen zu wollen. Bis jetzt hält er durch, rudert unermüdlich von einem Extrem ins andere hin und her, sichtlich bemüht, den achterlichen drei bis vier Meter Seen alles entgegen zu setzen, was er kann. Zwischendurch löse ich ihn dennoch immer wieder ab und gönne ihm etwas Ruhe. Wenn er die verbleibenden 217 Seemeilen auch noch so tapfer durchhält… hmm, womit belohnt man einen Pinnenpilot? Auf jeden Fall mit einer ordentlichen Süßwasserdusche. Denn die Salzkruste ist schon jetzt beachtlich.
Nicht nur bei ihm, auch bei mir, den Cockpitpolstern, den Fenstern und überhaupt allem, was oberhalb der Wasserlinie ist. Meine Hände eingeschlossen, trotz zweimaligem Eincremen täglich – und auf eine Süßwasserdusche freue ich mich erst recht auch.
Bis dahin nutze ich jede freie Minute und lege mich hin, schlafe in der ständigen Erwartung, für die verbleibende Strecke doch noch selbst das Ruder übernehmen zu müssen. Ich gestehe: Steuern ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung beim Segeln. Vor allem seit heute Nacht bleibe ich lieber im Trockenen unter Deck: „Becoming very rough in 7“.
Das muss etwa der Moment gewesen sein, in dem die Bücher aus dem Regel über mir in meine Koje fielen… Das heißt, eigentlich war das Bücherregal doch an der gegenüberliegenden Bordwand.
Kommentare
Eine Antwort zu „Very rough“
Hinnerk , ich liebe deine schreibe. mehr davon.
mist das mit dem windpiloten. fast nebem dem mast, das wichtigste an bord für den einhandsegler. ich hoffe du kommst gut an.
hab mich gefreut vom braunen segel gelesen zu haben.
leider ist das mit den sicherheitswörtern sehr nervig. klappt nämlich meist erst anch vielen versuchen.ich hoffe nun (nach 6x)