Ein bisschen hatte ich ja gejammert, dass ich auf dem Weg von Chicago hier her so wenig vom Land gesehen hatte. Sicher, Flüsse und deren Ufer waren irgendwie auch oft beeindruckend, aber es fehlte der Blick auf das Ganze. Auch, wenn das Land gern den Eidruck vermitteln würde, es besteht eben nicht nur aus „Riverfront Properties“ mit herrschaftlichen Häusern in parkähnlicher Landschaft. Die Perspektive ändert sich oft schon zwei Straßen dahinter in kleine Holzhäuser ohne Garten.
Beim Abbiegen in den Ohio River vor einigen Wochen kribbelte es außerdem nicht wenig: „Was wartet auf mich, wenn ich einfach weiter den Mississippi Richtung Memphis hinunterfahre und den ausgetretenen Pfad der Looper einfach verlasse?“. Ebensowar es einige Tage später, als eine Abzweigung vom Kentucky Lake den zweihundert Meilen langen Weg gegen den Strom des Cumberland Rivers nach Nashville möglich machte. Ohne weiteres könnte ich noch ein Jahr in den USA bleiben. Aber es wird Zeit, sich wieder Zielen hinter dem Horizont zu widmen.
Ein Road Trip durch den Süden der USA geht schneller und ist mehr als nur ein Ausflug. Ein bisschen fühlt er sich an, wie die Ankunft in New York. Keine fünf Minuten dauerte der Marsch vom Dingi die leichte Steigung der 79th Street hinauf. Fünf Minuten, vom Hudson River in die Kulisse etlicher Hollywoodfilme. Ich kannte den Broadway, ich kannte die Taxen, ich kannte die Stadt. – In 2D und rechteckig eingerahmt.
Mit Rubber Duck auf dem Highway
Jetzt breitet sich eine hügelige Landschaft vor mir aus. In Tennesse, Georgia und Alabama sind Landmarken nicht so leicht zu finden wie im imposanten Manhattan. Hier müssen erst ganze Landschaften das Auge einfangen, und ihre Wirkung entfalten. So, wie auf dem Highway 64 Richtung Memphis: Straßenschilder, Trucker-Cafés, Autos werden zu Requisiten für den eigenen Film. Selbst die endlos scheinende gelbe Doppellinie zwischen den Fahrstreifen scheint mir der Hollywoodlandschaft nachempfungen. Und dann begreife ich auf einmal, wie sehr ich in jungen Jahren, in den 80ern von Hollywood geprägt wurde und wie verschwommen die Grenze zwischen Realität und Film in diesem Land auch in wirklichkeit ist. Angefangen bei meinem Fable für amerikanische Tanklastzüge. Der begann, als ich etwa zehn war und zum ersten Mal den Film „Convoy“ sah. Hauptdarsteller Kris Kristofferson mit Spitznamen „Rubber Duck“ spielte den Prototyp des modernen Cowboys. Gerecht, verwegen und unbeugsam und für einen zehnjährigen mit dem unschlagbaren Argument eines 800PS starken Trucks versehen. Für mich war der greifbarer als ein John Wane und noch immer realer als Kaptain Kirk.
[quote align=“right“ color=“#999999″]Dies ist das Amerika, das ich zwischen Chicago und Alabama auf dem Wasser vergeblich gesucht habe.[/quote] Man muss sich erlauben, diese Parallelen zu ziehen und die Bilder wirken zu lassen. Denn Dieser Prototyp ist zwanzig Jahre später in Serie gegangen: „Rubber Duck“, so scheint es, steht hier mit seinem Truck an jeder Tankstelle und das Radio findet seit Stunden keinen Sender mehr, der nicht mit Gitarre und Banjo den passenden Soundtrak liefert. Und so ziehen die Südstaaten einen zum Straßenkapitän mutierten Skipper Meile für Meile in ihren Bann und wecken die Neugierde auf mehr.
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