In einer Wüste stelle ich mir Wasserknappheit irgendwie weniger schlimm vor. Klar, es ist heißer, der Sand trocknet die Kehle aus und Durst ist nie ein gutes Gefühl. Aber wenn sich beige Dünen in bizarren Formen unter einem stahlblauen Himmel ausbreiten, stellt sich der Körper automatisch auf „Vorsicht: Hier gibt es nichts zu trinken!“ ein. Es bleibt trotzdem nichts anderes übrig, als durchzuhalten und zu laufen, bis entweder Wasser gefunden wird oder man vorher tot umfällt.
Wassernot auf See ist im Grunde nicht anders: Mitten auf einem Meer, umgeben vom tiefblauen Nass, das in glasklaren Kügelchen von der Bugwelle springt, reagiert der Körper aber anders darauf. Wasser, so verraten mir meine Sinne mitten im Blau, ist doch im Überfluss vorhanden. – Da hilft es nichts, nur zu wissen, dass es ungenießbares Salzwasser ist. Durst gerät hier für eine trockene Kehle schneller an die Grenze zur Folter.
Leitungswasser ist nicht automatisch Trinkwasser
Seit einigen Monaten segele ich mit Paulinchen nun in Gegenden, in denen Trinkwasser an Stegen und Tankstellen mit Vorsicht zu genießen ist. – Sofern es denn überhaupt vorhanden ist, sofern es denn überhaupt Stege und Tankstellen gibt…
Angefangen hat das in Kuba. Aufgeregt kam da in der Marina von Los Morros ein Fischer herbeigelaufen und signalisierte, dass ich keinesfalls das Wasser aus dem Schlauch am Steg in den Kanister neben mir füllen solle. – „Auch nicht zum Kochen oder für Kaffee!“, erklärt er energisch und deutet auf den großen Tank auf dem Dach des Marinagebäudes.
Zwischentanks dieser Art sind oft auf den Dächern montiert. Sie fangen Regenwasser ein und sammeln, sofern vorhanden, das oft spärlich aus der Leitung tröpfelnde Wasser der öffentlichen Wassernetze.
Die Höhe sorgt dann für etwas Druck in den Leitungen, während der Behälter, direkt in der tropischen Sonne, als Brutkasten für Moskitos, Bakterien und allerlei Viren dient. – Seit dem Verlassen der USA, finden wir in jedem Reiseführer eine Warnung vor Cholera im Leitungswasser. – Eine harte Umstellung für Europäer, die ohne nachzudenken Leitungswasser und Trinkwasser als Synonym ansehen. Für mich ist es etwas einfacher, nachdem mir schon der hohe Chlorgehalt des Leitungswassers in den USA den Spaß am Trinken aus dem Hahn verdorben hat.
An der Küste Mittelamerikas aber könnte die Trennung dieser Begriffe oft kaum strikter sein. Zugang zu wirklich unbedenklichem Trinkwasser gibt es eigentlich nur auf kleinen Vulkaninseln wie beispielsweise Guanaja vor der Küste Honduras: Zahlreiche Quellen liefern hier Wasser im Überfluss und bis heute haben sich in den Seekarten Markierungen guter Wasserstellen erhalten. Die regionalen Wassernetze der Gemeinden sind hier zudem so klein sind, dass man fast direkt aan den Filtern der Wasserwerke zapfen kann.
Wasser selbst machen
Ein eigener Wassermacher gehört dennoch auf den meisten Booten in dieser Region zur üblichen Ausrüstung. Auf Paulinchen macht ein Katadyn Powersurvivor 40E im Vorschiff unterwegs und am Ankerplatz das Seewasser zu Trinkwasser. Katadyn hat von Beginn an meine Reise unterstützt und schon 2009 fand der Wassermacher seinen Platz an Bord.
Ein Jahr später hatte er sich zum ersten Mal in den Bahamas bewährt, eher aus Bequemlichkeit und weniger aus Notwendigkeit: Fuhr ich dort zum Tanken, füllte ich den Bordwassertank mit dem stark gechlortem Leitungswasser in Nassau auf. Benutzt habe ich das aber nur zum Abwaschen, Putzen und Kochen. Ein Salzwasserbad am Morgen erfrischt und ein kleines Glas Trinkwasser zum langte Zähneputzen. Mein Tagesbedarf an Süßwasser pendelte sich bei etwa fünf Litern ein. – Die herzustellen, dauert rund eine Stunde und kostet etwas weniger als fünf Ampere Bordstrom. – Energie, die an sonnigen Tagen bereits weit Stunden später mit dem Solarpaneel wieder aufgefüllt war.
Hat jemand an Bord lange Haare, zählen die als eigenes Besatzungsmitglied!
Zu zweit auf See liegt unser Wasserbedarf vier Jahre später aber deutlich höher und verteilt sich auch anders. Ein Aspekt, den ich als Einhandsegler bei der Planung der Ausrüstung 2008 komplett übersehen konnte: Hat jemand an Bord lange Haare, zählen die als eigenes Besatzungsmitglied.
Reicht mir auch heute noch ein Salzwasserbad am Morgen, braucht meine Freundin gerade wegen des Salzwassers täglich einige Liter Süßwasser zum Ausspülen ihrer Haare: „Oder ich kann sie nächste Woche abschneiden“. – Mein Fable für langes Haar gerät mit der Zeit zu einer Vorliebe für Kurzhaarfrisuren.
Unser Tagesbedarf pendelt sich, ohne verschwenderisch, aber auch ohne extrem sparsam zu sein, etwa 20 Liter am Tag. Jede Motorstunde nutzen wir daher längst zum Wassermachen. Allein, um an Tagen vor Anker oder bei gutem Segelwind nicht unnötig Diesel verbrauchen zu müssen, um Trinkwasser herzustellen.
Als Praktisch haben sich dabei einige Flaschen erwiesen, die wann immer sich die Gelegenheit bietet, nacheinander gefüllt werden. Sie beinhalten dann das Wasser zum direkten Trinken, währen wir das Tankwasser vor allem zum Abwaschen und Kochen nutzen.
Wasser zu Trinkwasser machen
Die Wikipedia erklärt Umkehrosmose so: „Das Medium, in dem die Konzentration eines bestimmten Stoffes verringert werden soll, ist durch eine halbdurchlässige (semipermeable) Membran von dem Medium getrennt, in dem die Konzentration erhöht werden soll. Dieses wird einem Druck ausgesetzt, der höher sein muss als der Druck, der durch das osmotische Verlangen zum Konzentrationsausgleich entsteht. Dadurch können die Moleküle des Lösungsmittels gegen ihre „natürliche“ osmotische Ausbreitungsrichtung wandern. Das Verfahren drückt sie in das Kompartiment, in dem gelöste Stoffe weniger konzentriert vorliegen.“
Anders gesagt: Trinkwasser entsteht im Wassermacher mit Hilfe einer Membran, die nur bestimmte Stoffe auf Moleküleben passieren lässt. Auf einer Seite dieser Membran soll am Ende möglichst kein Salz mehr enthalten sein.
Um das zu verstehen, muss man wissen, dass ein Stoff wie beispielsweise die Salze im Seewasser gleichmäßig verteilen. Selbst, wenn man zwischen einem Glas Salzwasser und einem Glas Trinkwasser nur winzige Verbindung schafft, wird das Trinkwasser nach einer Weile salzig werden. Die Kraft, die dafür sorgt, das Salz durch die Öffnung zu bringen, nennt man den osmotischen Druck.
In der Umkehrosmose passiert grob beschrieben das Gegenteil: Mit einer ensprechenden Pumpe wird ein Druck zwischen 60 und 80 bar in einem Rohr erzeugt und Seewasser über eine Membran geführt. Da dieser Druck höher ist, als der osmotische Druckunterschied zwischen Süß- und Salzwasser, kehrt sich der Effekt um: Die Membrane hält dann das Salz zurück und es wird über einen sogenannten Cross Flow weggespült. Durch die Membran tritt nur reines Wasser hindurch.
Die Membrane hält Salz zurück und nur Wasser gelangt auf die Trinkwasserseite des System. Selbst Keime und Bakterien im Wasser können nicht auf die andere Seite gelangen.
Size matters!
Mit Blick auf autarkes Reisen in abgelegenen Regionen hatte ich mich damals in Absprache mit Katadyn für das kleinste elektrische Modell entschieden. Der PowerSurvivor40E ist zudem manuell zu bedienen. Für mich damals ein Entscheidungskriterium, denn im Notfall kann ich damit auch ohne Strom Wasser an Bord machen:
An Stelle des Elektromotors tritt dann ein langer Bügel mit Handgriff. Eine Stunde diesen Hebel im Sekundentakt auf und ab zu bewegen, ergibt dann neben
geschmeidiger Schultermuskulatur etwa fünf Liter Trinkwasser. – Eine ideale Beschäftigungstherapie im Havariefall ohne Strom irgendwo auf dem Meer treibend.
Trotzdem befindet sich im Ditchbag inzwischen aber noch ein weiterer Handwassermacher Survivor-06 an Bord. Der erzeugt zwar weniger Wasser, für absolute Notsituationen dürfte er aber dennoch ausreichen. – Man wieder gilt: Man hat eh nicht viel zu tun, während man auf dem Pazifik herumtreibt.
Meine Notfalltasche ist vor allem als Lebensversicherung für den Fall gedacht, dass ich schnell das Boot verlassen muss. Fällt dazu die Entscheidung, wird vermutlich die Zeit fehlen, erst noch den großen Watermaker zu demontieren. – Gerade als Einhandsegler hat man in so einer Situation eh alle Hände voll zu tun.
Muss ich in die Rettungsinsel, wird kaum Zeit sein, den großen Watermaker zu demontieren und mitzunehmen.
Aus diesem Grund würde ich heute bei der Wahl eines Wassermachers vermutlich auf die manuelle Funktion verzichten und das System eine Nummer größer wählen. In der aktuellen Ausstattung des Bootes bedeutet mehr Wasser in kürzerer Zeit zu produzieren, weniger Motorstunden zu absolvieren.
Hätte ich jedoch mehr Platz für die Installation von Solarzellen und/oder einem weiteren Windgenerator, wäre wieder der kleine Watermaker durchaus interessanter, da er nebenbei Wasser macht, ohne das Bordnetz zu fordern. Die dafür nötigen fünf Amperestunden sind insbesondere in Tradewind-Revieren tagsüber leicht erzeugt.
Installation
Ein großer Vorteil des 40E ist dabei seine kompakte Bauweise. Er kann installiert werden, ohne gleich den Stauraum unter einer ganzen Koje opfern zu müssen. Unter der Vorschiffskoje auf Paulinchen hatte ein leeres Fach geradezu dafür aufgedrängt. Zudem sind zwei Borddurchlässe nach Außenbords notwendig. Eine Abzweigung am Seeventiel für die Zuleitung (!) der Klospülung genügt dafür vollkommen. Aus leicht verständlichen Gründen sollte das Seeventil auf jeden Fall in Fahrtrichtung vor den Auslässen von Toilette und Abwaschbecken liegen. Ein zweiter Zugang nach Außenbords ist nötig, weil nur ein Bruchteil des angesaugten Wassers zu Trinkwasser wird. Das überschüssige Seewasser wird dann mit noch mehr Salz angereichert, vom Watermaker wieder Außenbords gepumpt.
Um Beschädigungen an der Membran zu vermeiden, sind Filter vor dem Wassermacher sinnvoll: Die erste Stufe ist ein einfacher grober Seewasserfilter, der Seegras, Muscheln oder andere größere Fremdkörper aus dem Wasser filtert. Ihm folgt immer ein Feinfilter zwischen fünf und dreißig Mikrometer, um kleine Sedimente, wie aufgewirbelten Sand am Ankerplatz oder Algen im offenen Seewasser vor der Membran abzufangen. Soll der Watermaker nicht nur auf offener See benutzt werden, lohnt es sich zudem, über einen Aktivkohlefilter nachzudenken, der auch chemische Verunreinigungen abfangen kann, die sonst der Membran schaden können.
Der hohe Druck, der für die Umkehrosmose nötig ist, findet nur im Gerät selbst statt und spielt bei der Installation daher keine Rolle. Sofern der Durchfluss nicht blockiert ist, stehen die Anschlussschläuche lediglich unter dem Druck des umgebenden Seewassers und werden wie gewöhnlich mit Schlauchschellen auf den Verbindungsstücken gesichert. Auch aus dem Trinkwasserschlauch kommt das Wasser dann beinahe drucklos heraus.
Der bequemste Weg für das Trinkwasser in den Tank ist sicher ein direkter Anschluss. Mir ist es allerdings bereits zweimal passiert, dass ich den Zyklus für den Filterwechsel etwas zu lange ausgedehnt hatte. Die Folge ist dann ein Trinkwasser, das mit leicht fauligem Eiergeschmack und etwas Schwefelgeruch daher kommt.
Ärgerlich, weil dann ein Reinigungslauf des Wassermachers nötig ist. Ohne Zwischentank wäre dieses Wasser aber bei direkter Verbindung geradewegs in die vorhandene Frischwasserreserve gewandert und hätte dort mein restliches Wasser ebenfalls ruiniert.
Ein vorgeschalteter Zwischentank, um die Qualität des Wassers beurteilen zu können, hat aber noch weitere Vorteile: Ich nutze eine fünf US-Galonen fassende Flasche mit Markierungen in Stunden. Ein Blick auf die Uhr genügt beim Einschalten des Wassermachers, um die Performance im Auge zu behalten und schnell zu erkennen, wenn die Frischwasserausbeute unerwartet nachlässt und der Wassermacher zusätzlicher Aufmerksamkeit bedarf.
Wartung
In tropischen Regionen wechsele ich etwa alle fünf Tage die Vorfilter und reinige das Filtergehäuse mit einer Flaschenbürste im Seewasser. Der Filterwechsel klingt nach einem Groschengrab, ist es aber nicht! Die Filterelemente können einfach eine Weile hinter dem Boot geschleppt oder am Ankerplatz per Hand durchgespült werden. Theoretisch kommt man so mit nur zwei Filtern im Wechsel um die Welt. Realistisch sind aber doch einige Reservefilter durchaus sinnvoll.
Denn gelegentlich findet doch mal eine hartnäckige Alge ihren Weg in den Filter und schafft es in heißen Tropennächten blitzschnell ein Biotop zu gründen. Im Schnitt werfe ich etwa alle drei Monate einen Filter weg.
Tipp: Ersatzfilter hatte ich zuerst im Yachtzubehör in den USA gesucht. Dort kostete ein Paket mit sechs Filtern 200 US-Dollar! Im Schwimmbadzubehör gibt es baugleiche Modelle (gleicher Hersteller, gleiche Teilenummer) bereits ab acht Dollar.
Etwas Arbeit macht der Watermaker, wenn er eine Weile nicht benutzt werden soll. Theoretisch genügt es, ihn alle zwei oder drei tage für eine Stunde laufen zu lassen, damit die Leitungen gespült werden. Ist die Qualität des Umgebungswasser beispielsweise in einer Marina aber dafür zu schlecht, oder ein Ausflug vom Boot geplant, muss der Watermaker mit einem Biozid konserviert werden.
Dies verhindert für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr, dass Bakterien, Algen oder andere Biofilme auf der Membran oder im Gehäuse wachsen. So vorbereitet, kann der Wassermacher unbenutzt bleiben, während ich beispielsweise für Vorträge nach Europa reise und mich dort jeden Tag doppelt über das Wasser aus dem Wasserhahn freue.
Schreibe einen Kommentar