Weilers Welt: Retter in der Not.

Heimlich träumen wohl viele davon, einmal zum Helden eines Abenteuers zu werden, auf einer einsamen Insel zu stranden und sich bis zur Rettung durchzuschlagen. Etwa so, wie Pierce Brosnan vor einigen Tagen alias Robinson Crusoe im Fernsehen.

Diesen Artikel findet ihr auch in meiner monatlichen Kolumne: "Weilers Welt" in  segeln Ausgabe 4/2014
Diesen Artikel findet ihr auch in meiner monatlichen Kolumne: „Weilers Welt“ in segeln Ausgabe 3/2015

Mit der Romantik in so einer Sitation war es aber schnell vorbei, als vor Honduras so eine Geschichte vor meinen Augen passierte: Wir waren im Dämmerlicht noch durch die Riffpassage gekommen und hatten den Anker am erstbesten Platz der Lagune fallen lassen. Kurz vor Mitternacht höre ich im Funkgerät ein „Mayday“. Das gab es schon hin und wieder, normalerweise meldet sich binnen Sekunden darauf ein Marineschiff, die Küstenwache oder eine Hafenbehörde. Nicht so vor Honduras. Ein weiteres Mal ruft die Stimme im Funk auf Kanal 16 um Hilfe und ich bin erstaunt darüber, wie zögerlich ich zum Hörer greife.

Am anderen Ende der drahtlosen Leitung steht der Skipper eines 40 Fuß langen Motorbootes fest auf einem Riff, das eigentlich gar nicht da ist. Denn laut Kartenplotter, erfahre ich, müssten sie mitten in der Durchfahrt sein, nur etwa zwei Meilen entfernt von meinem Ankerplatz. Zumindest ist niemand an Bord verletzt.

Schlagartig wird mir klar, wie gut abgesichert wir doch hierzulande im Funknetz von Bremen Rescue unsere Abenteuer auf See unternehmen. Zuhause wäre jetzt bereits eine Armada von Rettungskräften unterwegs. Diese Armada, so scheint es aber, bin ich heute Abend allein. Jeder auf der Insel, das erfahre ich allerdings erst am nächsten Tag, hört auf Kanal 68. Ich weiß nichts über die Seenotrettung in Honduras; kenne nicht einmal die Telefonnummer von Polizei oder Rettungsdienst vor Ort.

Eine Minute nach dem Funkgespräch bin ich mit dem Dingi auf dem Weg an Land. Ein Nachtwächter in der nahen Marina verständigt die Polizei. Meine kurze Erleichterung wandelt sich in Entsetzen: Die hat kein Boot und kann daher nichts machen. Ich soll es bei der Feuerwehr versuchen. Auch die ist nur auf Einsätze an Land vorbereitet, will aber versuchen, ein Boot zu besorgen. – Zurück an Bord halte ich über eine Stunde den Kontakt. Längst schaffen es die Bilgepumpen es nicht mehr, das eindringende Wasser aufzunehmen. Die Stimme des Skippers wird zunehmend unruhiger. – Von Feuerwehr oder anderen Rettungskräften gibt es keine Spur. Keine Blaulichter am Ufer, keine Hubschrauber.

Ich mache mich erneut an Land auf, diesmal in eine andere Marina. Auch dort ist man hilfsbereit, aber ebenfalls weitgehend hilflos. Zwei lange Stunden später gelingt es, den für den Schutz der Riffs zuständigen Parkranger ausfindig zu machen. Der springt in sein offenes Boot und kann zumindest die Crew abbergen und in Sicherheit bringen, bevor der Havarist in den Morgenstunden vom Riff rutscht und in der Karibik versinkt.

Mit Robinson Crusoes Geschichte hatte das nicht viel gemein. Aber gerade jetzt, kurz vor Saisonbegin an Deutschlands Küsten erinnert es mich daran, einfach einmal „Danke!“ zu sagen. Natürlich denen, die immer da sind und Helfen. Vor allem aber auch einmal jedem, der mit ein paar Euro im Spendenschiffchen der DGzRS dafür sorgt, dass immer ein Boot da ist, wenn man eines braucht.

Gedanken rund ums Fahrtensegeln: Dieser Text stammt aus meiner Kolumne „Weilers Welt“ in der Zeitschrift segeln (Ausgabe 2/2014). 


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