Noch einmal Sturm, dann geht es aber mit den Lofotentörn 2015 weiter. Diesmal trifft ein Unwetter auf offener See, mitten im Atlantik diverse Yachten.
Es ist Hochsaison auf dem Nordatlantik. Die Frühlingsstürme nehmen ab und die Hurrikan Saison hat noch nicht begonnen. Jedes Jahr im Mai, schreibt auch Passatwindpapst Jimmy Cornell in seinen „Segelrouten der Welt“, ist der ideale Zeitpunkt, um den Atlantik West nach Ost zu überqueren. Die meisten Schiffe folgen seinem Rat und segeln auf dem Weg Richtung Europa von der Karibik oder aus dem Südosten der USA via Bermuda zu den Azoren. Auch ich hatte dieses Fenster vor einigen Jahren genutzt, wenn auch in die andere Richtung. Auch dabei gab es mehrfach kräftige Fronten und auch mal Wind um acht Beaufort.
Vielleicht überrascht es mich gerade daher, das in den letzten Tagen fünf Crews auf dieser Etappe in Seenot gerieten und sogar ihre Yachten aufgeben mussten. Ein Kind starb ofenbar dabei.
Eine dieser Rettungsaktionen hat die portugiesische Luftwaffe in einem beeindruckenden Video auf Youtube online gestellt. Ein Mahnmal, dass Ozeansegeln nicht ohne Gefahren ist. Darin sieht man eine Yacht vor Topp und Takel ablaufen. Die Situation scheint ungemütlich, aber nicht dramatisch. Warum sich die Besatzung abbergen lassen hat, ist nicht zu erkennen. Es soll hier auch nicht Thema sein.
Wohl aber stellt sich die Frage, warum so viele Schiffe von einem Sturm auf See überrascht wurden, der sich ganz typisch für die Region entwickelt hat. Denn, damit müssen sich die Skipper konfrontieren lassen, das ist heute gar nicht mehr so einfach: Vorhersagen sind über mehrere Tage in aller Regel sehr gut. Für die Wettertendenzen reichen sie in offenen Seegebieten über eine Woche hinaus.
Zeit, in der eine durschnittliche Fahrtenyacht heute gut 1.000 Seemeilen Distanz überbrücken kann. – Und sei es, um wie auf meiner Reise nach Amerkia eben nicht nach New York, sondern nach Halifax zu fahren. 1000 Seemeilen Umweg sind ein guter Deal, wenn man damit einem Sturm im Ozean entgehen kann.
Die Fronten des Atlantiks kommen auf der üblichen Frühlingsroute von achtern und sind auf den Wetterkarten spätestens klar zu erkennen, wenn sie die Amerikanische Küste verlassen haben. Vorher machen sie in der Regel bereits in der Karibik als „Norder“ von sich reden. Eine Woche später erreichen sie die Azoren.
Auf meinen Schlechtwettervorträgen werde ich immer wieder gefragt, woher ich denn weiß, wie diese Fronten ziehen und oft ernte ich überraschte Blicke, wenn ich sage: Am Besten sind dafür Wetterfaxe. Mit denen kann man sich vor einer langen Passage mit den Mustern von Zugbahnen der Wettersysteme vertraut zu machen. Dazu bedarf es keiner Ausbildung zum Meteorologen. Es genügt, sich für eine Weile den Verlauf der Isobarenkarten jeden Morgen anzuschauen. Für mich ist das ein Frühstücksritual. Schnell lernt man damit Starkwind in den Bahamas selbst vorherzusagen. Auch, wenn der noch nicht einmal Kuba erreicht erricht hat.
Aber viel zu häufig habe ich auch erlebt, dass die Qualität heutiger Wettervorhersagen auf Fahrtenyachten kaum ausgenutzt wird: Statt sich mit dem Wetter zu beschäftigen, soll ein täglicher Blick auf die GRIB-Daten der nächsten zwei oder drei Tage ausreichen. Damit bekommt man zwar eine Vorhersage, hat aber keine Ahnung warum das Wetter so wird. Die bunten Farben, mit Windpfeilen und allerlei Zusatzinformationen erwecken dabei den Eindruck einer besonders modernen Vorhersage.
Ein Eindruck, der trügt. Denn in Wirklichkeit sind es nur Momentaufnahmen. Die geringe Bandbreite von Internetverbindungen auf hoher See verleitet zu schnell zu einem Kompromiss: Schnappschüsse der kommenden 6, 12, 24, 36 und 48 Stunden lassen kaum einen Trend erkennen.
Wenn sich dort ein Windfeld mit 30 Knoten zeigt, weiß man außer dem Tag zwar die Stunde, in der es einen trifft. Nicht aber, was davor oder vor allem dahinter kommt. Folgt den 30 Knoten vielleicht eine zweite heftigere Front? Liegt gleichzeitig ein weiteres Tief über Grönland, dessen Fronten sich damit vermischen? In den vermeintlich perfekten GRIB-Daten fehlen alle wesentlichen Informationen für eine Vorhersage. Ein Tor für Probleme: Sehr leicht kann es passieren, dass man sein Zeitfenster für effektives Wetterrouting schlicht verpennt. Denn bis klar wird, dass nach dem 30 Knoten Wind ein 50 Knoten Sturm folgen wird, sind schnell zwei wertvolle Tage vergangen, in denen man nach Norden oder Süden in schwächere Windregionen der Front hätte ausweichen können.
„Der Sturm kommt erst am Mittag, wir sind ja aber am Morgen schon im Hafen“
Außerdem verleitet das GRIB Routing dazu Sicherheitsreserven zu verkleinern.
„Der Sturm kommt erst am Mittag, wir sind ja aber am Morgen schon im Hafen“, ist ein riskanter Wettlauf, den ich nicht nur einmal auf meinen Reisen am Funk mitverfolgt habe. Ohne die stundengenauen digitalen Vorhersagen würde man sich darauf gar nicht erst einlassen und stattdessen einen Plan zum Aussitzen oder Ausweichen auf See entwickeln.
Darum sind auch heute die simplen einfachen Wetterfaxkarten für die Planung und bei der Durchführung einer lange Passage ein hervorragendes Mittel für das eigene Wetterrouting. Mit GRIB ergänzt lassen sich zwar für die kommenden Tage beeindruckende Kurzfristprognosen erstellen, für Fahrtenseglers Wetterrouting aber sind sie viel zu unübersichtlich.
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