Fjordstille – Norwegens ruhiger und rauer Norden

Zwischen den Steinen wünsche ich mir ein kleineres agiles Segelboot. Viel zu oft muss der „Unimog“ das 30 Tonnen schwere Holzschiff Roland von Bremen durch die Felsen ziehen, wo ich noch genüsslich mit einem halben Knoten Fahrt in Lee sitzend meinen Weg zum Ankerplatz unter Segeln suchen würde.

20150531-010412-lofoten2015-Die Stille Nordnorwegens geht unter Maschine verloren. Das passiert immer dann, wenn sie gerade am eindrücklichsten wäre. Wenn nichts die Umgebung stört und man unwillkürlich mit gedämpfter Stimme im Flüsterton an Deck spricht. Ein unsinniger Reflex. Hier ist nichts und niemand, den oder das man mit einem lauten Ausruf der Begeisterung erschrecken würde. – Außer vielleicht die Handvoll Seeschwalben, die zwischen den Schären umherjagen.

20150531-190028-lofoten2015-Es ist vielleicht ein Zeichen der Demut vor der Natur. Den schlafenden Riesen, die man nicht wecken möchte, auf dass sie die Stille so lang wie möglich erhalten.

Alle Mann an Deck

Wir haben erst um 19 Uhr den Ankerplatz verlassen. Skipper Andreas „Der Alte“ beendete mit einem „Alle Mann an Deck“ die Trägheit des verregneten Sonntags, an dem uns trommelnder Regen auf dem Teakholz geweckt hatte. Wir witzelten einen Moment über die Frage, ob Schauerböen mit eisigem Wind ein adäquater Grund sind, eine Reise zu den Lofoten für einen Tag aufzuhalten und starten in den inzwischen zum späten Vormittag gereiften Tag bei einem auf das Zeitintervall „Mal abwarten“ angelegten Frühstück.

20150531-200632-lofoten2015-Eine Ausrede für das Gewissen. Innerlich sind wir alle auf einen ruhigen Tag in der Regenromantik der idyllischen Bucht an der Ostseite der Insel Vega eingestellt.

Aus dem Frühstück wurde ein Brunch, das wohl mit einer kurzen Pause ins Abendessen übergegangen wäre. Inzwischen, das war auf Grund der Wetterlage vielleicht sogar abzusehen, hatte der Wind abgenommen und drehte nach Osten. Roland schwojte mit dem Heck drei oder vier Meter vor dem blanken Fels.

Eine kurze Beratung über die Alternativen: Eine Nacht lang darauf hoffen, dass der Wind nicht zunimmt und halbstündlich die Lage kontrollieren oder kurzerhand an eine andere Stelle des Ankerplatzes verholen? Rolands Ankergeschirr ist für die Größe des Schiffs einwenig kläglich und das Aufholen von Leine und Kette wird zum kräftezährenden Prozess.

20150531-220342-lofoten2015-Einmal ankerauf fällt der Entschluss, ihn oben zu behalten. Das nächste Etappenziel ist das rund 35 Meilen entfernte Sandnessjøen und Dunkelheit ist am fortwährenden Polartag im Norden schon seit Tagen kein Grund zum bleiben.

Roland segelt in der leichten abendlichen Briese mit dreieinhalb Knoten nach Norden auf die Sieben Schwestern zu. Die markante Bergkette hebt sich wie der Rücken eines schlafenden Drachens von Meereshöhe auf bis über 1000 Meter.

Norwegian CoastDer Wind flaut ab, nimmt zu, flaut ab. Mal dreht er vor den Bergen einwenig nach Süden, dann wieder nach Osten. Mal laufen wir fast fünf Knoten, dann wieder eine Weile nur zwei: Immer wieder kommt die Frage: „Wollen wir die Maschine anwerfen?“ – Immer wieder kommt die stoisch gleiche Antwort:

Was spielt es für eine Rolle, ob wir um Mitternacht oder um vier Uhr morgens ankommen?

Bei Erreichen des Alstenfjords geht es auf Mitternacht zu. Die Sonne steht tiefer als die Wolken und zündet auf den Gipfeln vor uns den Schnee zu rotem Feuer an. Dann taucht sie noch einmal kurz unter den Horizont und hinterlässt die Welt in einer Blauen stunde, an deren Ende der nächste Sonnenaufgang folgt.

20150601-002605-lofoten2015-Wir erreichen den Hafen gegen kurz nach ein Uhr zusammen mit der Kvitbjørn. Ein Frachtschiff mit Eisklasse, dessen markanter Bug und die auf die Aufbauten gemalten Polarbären unverkennbar machen, in welche Reviere wir gerade vorrücken: Der Kai, an dem sie gerade anlegt, liegt vor einigen schmalen Häuserzeilen.

20150601-135928-norwegen-Wer hier lebt, kann nur vom Fischen oder den Fischern seinen Lebensunterhalt bestreiten. Direkt hinter den Häusern erhebt sich Anfang Juni noch immer schneebedeckter Fels, über den sich diesige Wolken senken.


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