Smooth ’n Slight

Nach unerwartetem Starkwind läuft Paulinchen in den Azorenhafen Ponta Delgada ein und macht neben dem ASV Ausbildngsschiff Walross IV fest.
Für eine weitere Nacht kehrten wir in den Hafen von Ponta Delgada zurück

Die Erklärung für den missglückten Start in Ponta Delgada findet sich schnell und ließt sich wie ein Lehrstück: Lassen sich im Hafen Wetterfaxe durch die vielen Störungen nur schwer empfangen, lohnt der Blick auf eine Karte aus dem Internet. Hätten wir das gemacht, hätten ich die „grizzel“ hinter der Front auf dem Fax nicht als Störung gedeutet, sondern als Linie mit dem Kommentar „Trog“ verstanden und wäre gleich im Hafen geblieben. Doch nichts Schlechtes ohne etwas Gutes: Am Morgen läuft Guss in den Hafen von Ponta Delgada ein. Holzboot, Holzrigg, viele bunte Aufkleber und eine breites Banner. „We sail the North Atlantic“ steht darauf und es scheint für größere Boote gemacht als die 18 Fuß, die unter seinem Gaffelrigg schwimmen. Um an der Jester Challange teilzunehmen hat er etwas geschummelt, gibt er zu: Von Ende Windsteuerung bis Anfang Bugspriet sind es 20 Fuß, das Mindestmaß für die Teilnahme.

Der Engländer startete am 25. Mai in Plymouth – Kurs Newfolk an Nordostküste der USA. „Beating against 40 Knots for days was to hard and I had to realize, that I won’t be able do do it“, gestand er sich irgendwann ein und drehte auf die Azoreninsel ab. Wir hatten nach zwei Stunden die Nase voll, er hat mit 18 Fuß tagelang für diese Entscheidung gebraucht… Jetzt will er sein Boot für den Rückweg nach England leichter machen – Wir nehmen ihm noch 24 Flaschen Wasser und zwei Kanister Spiritus ab, dann geht es wieder auf See.

Eine Delphinschule Springt um Paulinchen beim verlassen der Azoreninsel Sao Miguel herum.
Delphine beim Abschied von Ponta Delgada

Der Törn in den Abend liegt irgendwo zwischen nervend und schön. Nervend ist, dass das Boot in der Fast-Flaute mit rund 1,5 Knoten dem Sonnenuntergang durch die Restdünung von Gestern dümpelt. Schön ist es, wieder unterwegs zu sein. An uns ziehen Portugiesische Galeeren vorbei und eine Schule Delphine verabschiedet uns in den langsam auffrischenden Wind, dann bricht die Nacht herein. Schnelles Segeln, Ungerefft, Schrick in den Schoten, zwischen 6,3 und 7,1 Knoten. – Ein perfekter Anlieger.

Mittlerweile habe ich fast 5.000 Seemeilen auf Paulinchen im Kielwasser. Aber zum ersten Mal komme ich in den Genuss einer „Freiwache“. Vier Stunden schlafen am Stück – kein schlechtes Gewissen und ein ungewohnt ruhiger Schlaf. Vielleicht ist Einhandsegeln doch nicht so entspannend wie ich immer dachte.

Der einzige Wegpunkt für die Überfahrt liegt etwas nördlich der Insel Pico und markiert auf dem GPS das ziel für die Nacht. Was folgt ist ein Tag im Canal de Sao Jorge. Sein Namensgeber ist die lang gezogene Insel im Norden. Südlich liegt der Gipfel des Pico auf der gleichnamigen Insel. Immer wieder kommt mir ein „Nicht so dicht ans Ufer“ in den Sinn. Der Blick auf die Karte beruhigt: Eine Meile Abstand kommen mir vor wie hundert Meter. – Die Steilküsten an beiden Ufern sind zweihundert Meter hoch, und der die Berge dahinter zwischen ein und über zweitausend. Angst vor Untiefen? Wassertiefe 1153 Meter…

Azoreninsel Sao Jorge vom Canal do Sao Jorge aus mit kleinem Segelboot vor hoher Steilküste
Dimensionen – Eine Meile abstand erscheinen wie hundert Meter

Der zweite Sonnenuntergang auf See findet etwa 15 Meilen vor Horta statt. Die Inseln fallen ins Braun, dann ins Grau und verraten ihre Konturen nur durch die Lichter der verstreuten Siedlungen. Wind gibt es längst nicht mehr, nur noch alte Dünung und lautes Rattern unterm Niedergang. – Fünf Knoten Fahrt bei 2200 Umdrehungen. Keine Lust das GPS zu programmieren. Stattdessen finden Karten und Taschenlampe ihren Platz im Cockpit, während Torsten unter Deck schläft. Leuchtfeuer auszählen, um Mitternacht ist das Molenfeuer gut zu erkennen. „Yacht entering Horta Marina, this is Horta Marina calling“, werden wir über das Funkgerät begrüßt.

Der Hafen ist voll. Überall wehen Flaggen der ARC-Europe, die hier vor kurzem angekommen ist. Innerlich sehe ich mich schon das Ankergeschirr auf dem Vorschiff klarieren. Doch Länge und Tiefgang haben ihren Vorteil: Statt ins dichte Ankerfeld zu müssen, sollen wir als Außenlieger an das Dreierpäckchen vor dem Hafenbüro. – Aufklaren, eine Dose kalte Cola als Anlegeschluck und dann in die Koje.

Für die Statistiker: 154 Meilen (davon ca. 40 mit Motor) in 31 Stunden… macht einen miesen Schnitt von nur 4,9 Knoten.


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